Verfasser: Fredi Flügel, dipl. Ing. ETH, Energieberater
Prognosen zur Kehrichtentsorgung im Jahr 2000
Die Prognosen des BUWAL bezüglich der Abfallmengen und Verbrennungskapazitäten
sind sehr pessimistisch, weil gleichzeitig die vorhandenen Kapazitäten generell
zu tief und der Bedarf zu hoch geschätzt wird. Zudem hat der Beschluss der Tessiner
Regierung eine neue KVA zu bauen eine neue Situation geschaffen. Selbst nach BUWAL
Prognose ist damit die Verbrennungskapazität ausreichend, denn die angeblich noch
fehlende KVA dient nur als Reserve. Reserven brauchts es aber nur, wenn die Kapazität
knapp ist, bei Überkapazität sind sie nicht nur überflüssig, sondern kosten auch
unnötig viel Geld.
Die Prognose "REALO" basiert auf einer realistischen Einschätzung der vorhandenen
Kapazitäten und der anfallenden Abfallmengen. Abgesehen von der Einführung
mengenabhängiger Kehrichtgebühren in der ganzen Schweiz werden dabei keine besonderen
Anstrengungen zur Kehrichtvermeidung und nur eine massvolle Sortierung der
Gewerbeabfälle für einen vermehrten Einbezug der Zementwerke vorausgesetzt.
Sie ergibt für das Jahr 2000 ohne weitere Neubauten von KVA (ausgenommen Tessin)
eine beachtliche Überkapazität von etwa 750 Tausend Tonnen pro Jahr.
Die Prognose "VERDE" basiert auf einer realistischen Einschätzung der vorhandenen
Kapazitäten und der anfallenden Abfallmengen, jedoch bei intensiven Anstrengungen
zur Kehrichtvermeidung, durch weitgehende Einführung der Grünabfuhr und konsequente
Separatsammlungen auch der Siedlungsabfälle für maximales Recycling, sowie Ausnutzung
der gesamten Kapazität der Zementwerke. Sie ergibt für das Jahr 2000 auch ohne
weitere Neubauten von KVA (ausgenommen Tessin) eine beachtliche Überkapazität von
etwa 1550 Tausend Tonnen pro Jahr.
Es ist daher ohne jeden Zweifel klar, dass die geplante SBA in Thun unnötig ist,
umso mehr als Lausanne und Fribourg auch noch neue KVA bauen möchten.
Bemerkungen zu den Zahlen
- Bestehende KVA
Die vom BUWAL ausgewiesene Kapazität von 3070 kTo/Jahr basiert auf der
Nennkapazität der Anlagen und ist damit sehr pessimistisch. Wie aus dem
Abfallbericht 1994 des BUWAL ersichtlich ist, haben 1994 fünf grosse KVA
in der Schweiz Auslastungen zwischen 110 und 120 % erreicht. Eine mittlere
Auslastung aller Anlagen von 105% ist daher mit Sicherheit problemlos
erreichbar, die Kapazität erhöht sich entsprechend auf 3220 kTo.
- Neue KVA Tessin
Der Kanton Tessin plant eine eigene KVA nach dem Verfahren "Thermoselect" mit
einer Kapazität von 120 kTo / Jahr. Dass langfristig der Tessiner Abfall auf
der Alpensüdseite entsorgt werden sollte ist unbestritten. Alternativ zum Bau
einer eigenen Anlage wäre auch eine Zusammenarbeit mit Norditalienischen
Regionen denkbar. So oder so muss der Tessiner Abfall höchstens vorübergehend
in der Nordschweiz entsorgt werden.
- Verbrennung in Zementwerken
Es ist unbestritten, dass die vermehrte Verbrennung geeigneter Abfälle in
Zementwerken ökologisch sehr sinnvoll ist. In Frage kommen vor allem Altpneus,
Kunststoffe, brennbare Bauabfälle und getrockneter Klärschlamm. Dies geht nicht
völlig ohne zusätzlichen Aufwand für Separatsammlungen und Transporte, schafft
andrerseits aber auch Arbeitsplätze und bringt Umsatz für die Bahnen. Klärschlamm
könnte beispielsweise mit Abwärme in KVA getrocknet werden. Dies hat den Vorteil,
dass keine Primärenergie benötigt wird und dass die bei der Trocknung entstehenden
Gase in der KVA verbrannt und gefiltert werden können. Ökologisch ebenfalls
sinnvoll wäre die Trocknung mit Gasen aus Deponien oder anaerober Vergärung.
Mit wenig Aufwand könnte der Anteil der Zementwerke von heute 150 auf 300 kTo
erhöht werden, mit etwas mehr Aufwand wären wahrscheinlich auch 400 kTo erreichbar.
- Siedlungsabfälle
Das BUWAL rechnet damit, dass die Siedlungsabfälle auf dem heutigen Niveau von
357 kg pro Einwohner und Jahr bleiben. Dies ist sehr pessimistisch, hat doch die
Menge seit dem Jahr 1989 mit 445 kg ziemlich linear um 13 kg pro Jahr abgenommen.
Es ist sehr wahrscheinlich dass sich dieser Trend fortsetzt, umso mehr als die
Einführung mengenabhängiger Kehrichtgebühren für 30% der Schweiz noch bevorsteht.
Prognose "REALO" rechnet damit, dass die Menge bis ins Jahr 2000 auf 320 kg pro
Einwohner entsprechend 2240 kTo sinken wird. Durch wirklich umweltfreundliches
Verhalten (umfassende Grünabfuhr und intensive Separatsammlungen) könnte dieser
Wert noch massiv gesenkt werden. In Zug liegt heute schon der Kantonsdurchschnitt
bei 145 kg pro Einwohner. Die optimistische Prognose "VERDE" rechnet mit 220 kg
pro Einwohner entsprechend 1540 kTo.
- Brennbare Bau- und Gewerbeabfälle
In den vom BUWAL errechneten Zahlen sind auch die heute wild deponierten Abfälle
enthalten. Das BUWAL schätzt diese auf 260 kTo / Jahr. Diese Schätzung ist extrem
hoch, entspricht sie doch mehr als 60% der 420 kTo, welche auf ordentlichen
Deponien entsorgt werden. Wir gehen davon aus, dass in Wirklichkeit
gesamtschweizerisch nicht mehr als 20 % auf wilden Deponien landet, was etwa
80 kTo entspricht. Die vom BUWAL errechneten 680 kTo reduzieren sich daher um 180 kTo.
- Reserve
Das BUWAL fordert eine Reserve von 5%. Die Frage, ob dies bei knappen Kapazitäten
nötig ist erübrigt sich, weil mit Sicherheit eine massive Überkapazität bestehen
wird und damit jede Reserve nicht nur überflüssig ist, sondern die Situation noch
weiter verschlechtert.
Prognosen im Detail:
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