SBA-THUN
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Bericht von André Stauffer, Steffisburg
Gedanken zum SBA-Entscheid des Berner Verwaltungsgerichts vom 4. Mai 1998

  1. Das Verwaltungsgericht hat nach eigenen Angaben nur eine Rechtskontrolle durchgeführt. Bei einem Entscheid des Regierungsrates habe das Verwaltungsgericht keine Ueberprüfungskompetenz. Zudem sei der rechtlichen Beurteilung eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen, wenn besondere Sach- oder Fachkenntnisse erforderlich sind.

    Soweit so gut. In Tat und Wahrheit stützt sich das gesamte Urteil allein auf die durch die SBA-Bauherrschaft in Auftrag gegebenen Gutachten und Kalkulationen. Diese wurden ausnahmslos als hinreichend begründet angesehen, obschon das Gericht zuvor seine Kompetenz eben nicht derjenigen der Fachstellen gleichstellte.

    Dadurch erfolgte die Beurteilung der Rechtslage einseitig aus einer Optik, welche sich ausschliesslich auf die Behauptungen der Bauträgerschaft stützte.

    Die legitime Forderung der Beschwerdeführer um Erstellung von Gutachten durch neutrale Fachpersonen wurde mit der fadenscheinigen Begründung abgewiesen, dass das Gericht nicht in der Lage sei, solche Expertenmeinungen zu beurteilen.

    So gesehen musste das Gericht zwangsläufig zum bekannten Urteil kommen.

  2. Aufgrund der von offizieller Seite erhobenen Daten über die derzeitige und künftige Abfallentwicklung in der gesamten Schweiz ist der Bedarf für die SBA in Thun auch nach dem sog. "Deponieverbot" im Jahre 2000 nicht mehr ausgewiesen.

    Von dieser Tatsache hat mittlerweile auch das für die gesamtschweizerische Abfallpolitik zuständige BUWAL Kenntnis nehmen müssen. Rechtzeitig auf den Berner Gerichtstermin griff dieses Bundesamt tief in seine Trickkiste und bediente sich einer erstaunlich phantasievollen Strategie:
    Die Schweiz soll laut BUWAL neu in drei Kehricht-Grossregionen aufgeteilt werden, die gewissermassen autonom für ihre Abfallverwertung besorgt sein müssten.

    Dies würde also bedeuten, dass landesweit vorhandene KVA-Ueberkapazitäten z.B. der Region ZH - Ostschweiz neuerdings mit Billigung und Unterstützung des BUWAL dem angrenzenden Ausland zur Verfügung gestellt werden sollen. Erstaunlicherweise spielen Transportwege mit dieser Variante offenbar eine untergeordnete Rolle.

    Durch diese Art der Abfallzuteilung liesse sich bequem eine somit künstlich geschaffene Notwendigkeit der SBA in Thun kalkulieren; die Einteilung der Schweiz in drei Abfall-Grossregionen ist aber nicht nur willkürlich sondern schlicht falsch: Als erstes fehlen dafür die rechtlichen Grundlagen, zweitens widerspricht sie dem Wortlaut des geltenden Umweltschutzgesetzes und drittens ist eine derartige Lösung weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar.

    Angesichts des fehlenden Bedarfs lässt sich nicht rechtfertigen, warum dieses Projekt mit über 330 Millionen Franken an öffentlichen Geldern finanziert werden soll. Das Schweizer Stimmvolk hat sich vor drei Tagen deutlich entschieden: Mittels Sanierung der Bundesfinanzen (Haushaltsziel 2001) muss der Bund seiner Schuldenwirtschaft ein Ende setzen.

  3. Die Berner Verwaltungsrichter halten im Urteil weiter fest: "Es verbietet keine Vorschrift, Abfallanlagen im Agglomerationsgebiet zu erstellen".

    Diese Aussage grenzt eher an Zynismus als an ernstgemeintes Verständnis für die Anliegen der Bürger. Dass vor Jahrzehnten dem Umweltschutz in besiedelten Gebieten zu wenig Bedeutung beigemessen wurde, soll heute nicht als Legitimation betrachtet werden, gemachte Fehler zu wiederholen und neue Abfallverbrennungsanlagen unmittelbar neben Wohngebieten zu errichten. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass Argumente der Standortevaluation, die anfänglich offenbar als entscheidend bezeichnet wurden (z.B. die Nutzung von Fernwärme) in der Zwischenzeit ersatzlos weggefallen sind.

    Das Stimmvolk wählt seine Behörden verbunden mit dem Auftrag, dass diese die Interessen der Bürger wahrnehmen. Eine kuriose Konstellation ergibt sich im Falle der SBA, da je ein Gemeinderat von Thun und Steffisburg im Verwaltungsrat der AG für Abfallverwertung (AVAG) Einsitz nimmt, die für die Projektleitung SBA verantwortlich ist. Wo aber sind die Volksvertreter geblieben, welche vollumfänglich für die Anliegen der Bürger eintreten?

  4. Das Sankt-Florians-Prinzip wird den SBA-Kritikern immer wieder vorgehalten. Dazu folgende Richtigstellung: Die Bewohner der Region Thun/Steffisburg verursachen jährlich eine Abfallmenge von ca. 11'500 Tonnen. Die geplante SBA soll dagegen 13 Mal grösser, nämlich für eine Kapazität von 150'000 Tonnen gebaut werden. Denn inskünftig soll der dreifache Thuner/Steffisburger Abfallberg, nämlich 35'000 Tonnen jährlich, aus der Region Bern-Seeland transportiert und in Thun zusätzlich zum AVAG Kehricht verbrannt werden. Es stellt sich nun die Frage, wem genau Sankt Florians-Politik vorgeworfen werden soll: Den SBA-Kritikern oder der Berner Regierungsrätin Frau Dori Schaer-Born, welche einerseits das Thuner KVA Projekt vorantreibt, sich selbst andererseits aber gerne als "Umweltgewissen" der Berner Regierung bezeichnet?

  5. Das Verwaltungsgericht hält ausserdem fest: "Der Normalbetrieb der SBA ist für die Umgebung mit zwar geringen, aber vielfältigen Immissionen verbunden. Eine gewisse Belastung ergibt sich namentlich aus dem Ausstoss der Abgase aus dem Verbrennungsprozess, die Schwebestaub, Schwermetalle, Chlor- und Fluorwasserstoff, Schwefel- und Stickoxide, Kohlenstoffe und -monoxid, Ammoniak sowie Dioxine und Furane enthalten."

    Die Auswirkungen dieser zahlreichen Schadstoffe (insb. Dioxin) sind für Mensch und Umwelt laut Fachärzten nicht voraussehbar; der Missbrauch der Bewohner einer gesamten Agglomeration als Versuchsobjekte für neue Technologien ist unbedingt zu vermeiden.

    Aus diesem Grunde kann die Umweltverträglichkeit aus medizinischer Sicht in keiner Art und Weise als unbedenklich bezeichnet werden.

    Im Urteil wird der Gesamtentscheid des Regierungsratsbeschlusses vom 14. Mai 1997 mit den zwei folgenden Auflagen ergänzt:
    • Im Normalbetrieb sind die Garantiewerte für die Luftemissionen einzuhalten.
    • Die vollständige Verbrennung der Schwelgase .... ist zu gewährleisten.

    Hat das Verwaltungsgericht endlich die gravierenden Mängel der allzu oft zitierten "Unbedenklichkeit" einer (erwiesenermassen untauglichen) Schwelbrenn - Risikotechnologie zur Kenntnis genommen?

    Von Folgekosten (z.B. verursacht durch Gesundheits- und/oder Umweltrisiken oder durch aufwendige Nachrüstungen, um Garantiewerte in Bezug auf Emissionen zu erfüllen), spricht niemand. Wer trägt dafür künftig die Verantwortung?

    Es bleibt zu wünschen übrig, dass unsere bis anhin zuwenig an umweltrelevanten Details interessierten Politiker der Region solche Auflagen zur Kenntnis nehmen; insbesondere da das vorgesehene Schwelbrenn-Verfahren und dessen Umwelttauglichkeit noch nirgendwo bewiesen werden konnte und wohl auch nie richtig funktionieren wird. Die weltweit einzige SBA (eine Versuchsanlage) in Fürth (D) funktioniert infolge andauernder Störfälle seit bald einem Jahr nicht mehr und ist auch in Deutschland stark umstritten.

    Ein sichtbares Handeln ist jetzt angesagt, um den Schaden zu begrenzen und rechtzeitig den Bau der gegen den Willen einer ganzen Region geplanten, unnötigen und allzu kostspieligen KVA Thun zu verhindern. Ökonomisch und ökologisch zweckmässigere Offerten von Alternativen betreffend Entsorgung des Kehrichts in der AVAG Region liegen den zuständigen Entscheidungsträgern gebrauchsfertig vor. Es gilt, dem Willen der Öffentlichkeit Nachdruck zu verschaffen und die sich aufdrängenden Konsequenzen rasch zu ziehen.


TALK TO US
10.06.1998