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PRO REGIO THUN 11.11.1998
Diskussion Bauprojekt Kehrichtverbrennungsanlage KVA Thun

An die Damen und Herren
Grossrätinnen und Grossräte
des Kantons Bern


Sehr geehrte Damen und Herren

Als Mitglieder des Grossen Rates des Kantons Bern werden Sie in wenigen Wochen zu wichtigen Fragen im Zusammenhang mit der möglichen Projektierung einer neuen KVA in Thun Stellung nehmen. Unser Verein Pro Regio Thun hat sich seit einiger Zeit intensiv und kritisch mit den beiden Kehrichtverbrennungs-Vorhaben für Thun auseinandergesetzt und möchte Sie heute gerne aus seiner Sicht kurz informieren.

1. Für eine teure KVA Thun besteht heute kein Bedarf mehr

Es wird mittlerweile von keine Seite mehr bestritten, dass mit dem heutigen KVA Ausbaustandard auch nach Beginn des Deponieverbotes im Jahre 2000 mit Überkapazitäten gerechnet werden muss. Konkret: Bedingt durch die kontinuierlichen Rückgänge der Haushaltkehricht-Mengen seit 1989 (jährlich ca. 4-5%) und aufgrund der verstärkten Bemühungen um Separatsammlungen haben sich derart massive Rückgänge beim Kehrichtvolumen ergeben, dass einzelne KVA in der Schweiz heute bereits um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen müssen (Bsp. zweistellige Millionendefizite in Zürich). Verluste in Millonenhöhe im KVA Geschäft sind vorprogrammiert. Trotz den bekannten Überkapazitäten sollen nun mit Hilfe öffentlicher Gelder noch neue Anlagen in Thun, aber auch in Fribourg und im Tessin errichtet werden. Die Folgen dieser Entwicklung liegen auf der Hand: Je schwächer die Anlagen ausgelastet sind, desto teurer werden die Entsorgungskosten.

Die Haushaltabfallmengen werden auch künftig weiter rückgängig sein, bedingt
* durch die zunehmende Verbreitung der Sackgebühren, (noch immer kennen 60% aller Schweizer Gemeinden keine Sackgebühr nach Verursacherprinzip) sowie
* durch die Intensivierung der Rohstoffgewinnung mittels Separatsammlungen (Kunststoffe, welche noch immer rund 60% des Volumens eines Kehrichsacks ausmachen, könnten bereits heute sinnvoll verwertet werden) und
* durch verstärkte Vermeidungsbemühungen der Verpackungsindustrie.

Dass keine unmittelbare "rechnerische" Notwendigkeit für eine weitere Projektierung von KVA Neubauten in der Schweiz mehr besteht, hat auch das für die nationale Abfallplanung zuständige Bundesamt für Umwelt Wald und Landschaft BUWAL bestätigen müssen.

Gemäss der neuesten BUWAL Abfallstatistik 1998 fielen im Jahre 1996 3.14 Mio. Tonnen an brennbaren Abfällen an, welche entweder per KVA entsorgt wurden oder auf der Deponie landeten (Diese Zahl wird von Fachleuten als zu hoch beurteilt). Dem gegenüber standen im selben Jahr gemäss BUWAL genau 3'148'626 Tonnen an Abnahme-Kapazität in den KVA zur Verfügung. Nicht eingerechnet sind hier weitere 173'000 Tonnen an Abnahmekapazitäten, welche 1996 im Bau standen (Erweiterungen von KVA). Ebensowenig eingerechnet sind dabei die Offerten der Zementwerke, welche gerne rund 150'000 Tonnen brennbare Abfälle (Kunststoffe, Oel, Zellulose- Fabrikate etc.) zusätzlich als alternative Brennstoffe annehmen würden. Die zur Zeit vorhandenen Kapazitäten genügen (inkl. Reservekapaziäten) vollumfänglich zur Verwertung aller in der Schweiz anfallender Haushaltabfälle auch nach dem Jahr 2000.

Sowohl der schweizerische Preisüberwacher als auch der Verein Pro Regio Thun, Umweltorganisationen, Parteien und Ärzte befürworten seit einiger Zeit ein Time-Out und eine Denkpause für das Thuner KVA Projekt. Selbst der Sekretär des Verbandes Betriebsleiter Schweizerischer Abfallbehandlungsanlagen, VBSA, Werner Ryser, forderte anfangs September 1998 ein KVA-Moratorium: "Wir brauchen Zeit, um die Tendenzen besser abschätzen zu können." (vgl. Zeitschrift FACTS vom 09.09.1998).

Realistische Alternativen zum Bau einer kostspieligen KVA Thun existieren: Es liegen mehrere Verhandlungsofferten von Verbrennungsanlagen vor, welche äusserst interessante Abnahmepreise garantieren können. Ausserdem hat sich die Firma ACTS, eine Tochterunternehmung der SBB, bereit erklärt, die logistischen Aspekte (Transport, Verteilung, Umlad) zu günstigen Konditionen zu gewährleisten. Auch das Umweltschutzgesetz fordert übrigens eine enge Zusammenarbeit der Kantone zwecks Abbau von Überkapazitäten im Abfallwesen.

2. Kann sich der Kanton Bern eine neue KVA in Thun leisten?

Angesichts der grossen Defizite und der Überschuldung des kantonalen Staatshaushaltes und angesichts der bereits beim ersten (gescheiterten) Projekt SBA erlittenen finanziellen Verluste in Millionenhöhe stellen sich dringende Fragen, nämlich
* ob sich der Kanton Bern eine Kehrichtverbrennungsanlage Thun, deren Wirtschaftlichkeit schon heute auf wackeliger Grundlage steht, überhaupt noch leisten kann und will (Analogieschlüsse zum seinerzeitigen Spitalboom und dem heutigen Finanzdebakel auf dem Buckel der Konsumenten im Gesundheitswesen drängen sich unweigerlich auf)
* ob es nicht ökologisch sinnvoller und ökonomisch weitsichtiger wäre, die finanziell vorteilhaftere Lösung eines mittelfristigen Transports zu prüfen
* ob angesichts des Berner Abfallleitbild-Flickwerks nicht die Erstellung einer Studie und Abfalloptimierung im Kanton durch eine unabhängige Instanz ins Auge gefasst werden müsste.

3. Eine neue KVA in Thun fände keine Zustimmung

Für die Thuner KVA gibt es weder einen konkreten Planungsauftrag noch eine Baubewilligung. Trotzdem wird auf der Baustelle und am Projekt emsig weitergearbeitet, aus Angst, allfällige Subventionen nicht zu erhalten. Einmal mehr dominieren sogenannte Sachzwänge über den gesunden Menschenverstand. Keine Wunder, ist das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Projektanten in der Bevölkerung geschwunden.

Aus diesen Gründen ersuchen wir Sie, sehr geehrte Damen und Herren Grossrätinnen und Grossräte diejenigen Vorstösse Ihrer Ratsmitglieder in Sachen Abfall-Planung/Projekt KVA Thun im Interesse einer weitsichtigen umweltfreundlichen und ökonomisch sinnvollen Politik zu unterstützen, um die Möglichkeit einer wirklichen Neubeurteilung in dieser verfahrenen Situation zu schaffen.

Besten Dank für Ihre Unterstützung!

Mit freundlichen Grüssen
PRO REGIO THUN


TALK TO US
12.11.1998