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Der Bund, 06.11.2001
Avag-Anwälte nehmen KVA-Gegner ins Visier

THUN / Die AG für Abfallverwertung (Avag) macht kurzen Prozess: Drei Monate nach dem juristischen Sieg in Lausanne leiteten die Avag-Anwälte gegen einen KVA-Gegner die Betreibung ein. Sie verlangten knapp 20000 Franken. Pro Regio hat die Summe bezahlt.

Eckhard Schmidt lässt seinem Ärger freien Lauf: «Das ist reine Willkür», poltert der Kassier des Vereins Pro Regio Thun. Er kann nicht verstehen, dass die AG für Abfallverwertung (Avag) kurz vor den offiziellen Betreibungsferien gegen einen KVA-Gegner die Betreibung eingeleitet hat. «Dieses Vorgehen ist ethisch und moralisch verwerflich», so Schmidt. Margit Rauber, KVA-Gegnerin der ersten Stunde, ist sogar überzeugt, dass «man mit einem solchen Vorgehen Wut in der Bevölkerung schürt. Ich finde es wichtig, dass die Öffentlichkeit darüber informiert wird, und hoffe, dass sich auch Politiker Gedanken darüber machen.»

Pro Regio Thun springt ein
Was war geschehen? Anfang Juli, die Bundesrichter in Lausanne hatten das schriftliche Urteil im Fall der Thuner Kehrichtverbrennungsanlage noch nicht verschickt, da flatterte einem der zahlreichen KVA-Gegner bereits ein Zahlungsbefehl ins Haus. Im Namen der Avag verlangte das Berner Advokaturbüro Bratschi, Emch und Partner von der Person fast 20000 Franken, wie Schmidt dem «Bund» erklärt. So viel müssen die rund 300 Beschwerdeführer nach ihrer Niederlage vor Bundesgericht den Anwälten der Avag bezahlen. Der KVA-Gegner, der anonym bleiben will, hat sich daraufhin an Pro Regio Thun gewandt. Obschon er selber kein zahlendes Vereinsmitglied ist, hat Pro Regio nicht lange gezögert und den Betrag bereitgestellt. «Innerhalb von zwei Tagen hatten wir die Summe zusammen», erinnert sich Eckhard Schmidt. Weil noch nicht alle Beschwerdeführer ihren Anteil einbezahlt hätten, habe er unter anderem auch private Geldquellen anzapfen müssen.

Betreibung zurückgezogen
Doch mittlerweile ist die Angelegenheit vom Tisch, wie der Anwalt der Beschwerdeführer Marcus Sartorius bestätigt. Nachdem der Vereinskassier den Anwälten das Geld überwiesen habe, sei die Betreibung zurückgezogen worden. Weder bei der Avag noch beim beauftragten Notariatsbüro war gestern eine Stellungnahme erhältlich. Rein juristisch betrachtet haben die Anwälte aber das Recht, einen der 300 Beschwerdeführer herauszupflücken und diesen zur Zahlung der gesamten Forderung zu verpflichten. Die KVA-Gegner haften solidarisch.

Teurer Kampf gegen die KVA
Die knapp 20000 Franken Parteikostenentschädigung sind indes nur ein kleiner Teil dessen, was Pro Regio für den Kampf gegen die KVA insgesamt bezahlen musste. Laut Eckhard Schmidt hat der jahrelange Streit den Verein mittlerweile zwischen 120000 und 150000 Franken gekostet. Trotz der gewaltigen Summe habe man keine Finanzsorgen. «Alle Rechnungen sind bezahlt, und wir haben sogar noch etwas flüssige Mittel in der Kasse.»

Banken investieren
Der Kampf gegen das KVA-Projekt auf der kleinen Allmend ist definitiv verloren. Nach dem Bundesgerichtsurteil sind im Mai 2001 die Bagger aufgefahren und haben mit den Erschliessungsarbeiten begonnen. Am 5. Dezember wird laut einer Avag-Ankündigung der «Grundstein am Bau der Kehrichtverbrennungsanlage in Thun gelegt». Die Finanzierung des Projekts ist ebenfalls gesichert, wie der Avag-Direktor René Clausen anlässlich der letzten Delegiertenversammlung in Kandersteg sagte. Den Löwenanteil des 200-Millionen-Projekts wird ein Bankenkonsortium unter der Führung der UBS übernehmen: Mit rund 120 Millionen wollen die Finanzinstitute den Bau der Anlage unterstützen. Die Avag will den Kredit innerhalb von 20 Jahren zurückzahlen. Bund und Kanton haben 73 Millionen in Aussicht gestellt. Die Avag will sich ihrerseits mit 14,5 Millionen am Aktienkapital der neuen Avag KVA AG beteiligen. Ausserdem gewährt sie ihrer 100-prozentigen Tochter ein Darlehen von 10,65 Millionen. Im KVA-Fonds, der seit 1995 gespeist wird, werden Ende Jahr bereits über 20 Millionen Franken liegen.

ADRIAN KREBS


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24.11.2001