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Der Bund, 24.03.2001
Die KVA wird nun gebaut

Die Gegner der geplanten Kehrrichtverbrennungsanlage verlieren den letzten Kampf. Der Ofen geht Ende 2004 in Betrieb.

Das allerletzte Gefecht um die geplante Thuner Kehrrichtverbrennungsanlage (KVA) wurde in Lausanne entschieden. Das Bundesgericht hat die Beschwerde der Gegner abgewiesen. Während die Verlierer nun die Kosten des juristischen Kampfes begleichen müssen (bis zu 30 000 Franken), will die AG für Abfallverwertung noch diesen Sommer mit der Erschliessung des Areals auf der Kleinen Allmend beginnen. Ende 2004 soll der Verbrennungsofen dann offiziell in Betrieb genommen werden. Der Kanton Bern sieht sich laut Regierungsrätin Dori Schaer-Born durch den Entscheid aus Lausanne in seiner Abfallpolitik bestätigt.

Jetzt wird die Thuner KVA gebaut
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gegen die geplante Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) auf der Kleinen Allmend abgewiesen. Dem Bau des 175 Millionen Franken teuren Ofens steht damit nichts mehr im Wege. Bei Pro Regio Thun leckt man sich die Wunden, der Kampf gegen die Anlage hat rund 30 000 Franken verschlungen.

ADRIAN KREBS
Das lange Warten auf Lausanne hat ein Ende. In einer kurzen Meldung haben die Bundesrichter am Donnerstag verkündet, dass sie die Beschwerde gegen die Überbauungsordnung der geplanten Kehrichtverbrennungsanlage auf der Kleinen Allmend abgewiesen haben. Eine Begründung dazu lieferten sie jedoch noch nicht.

Bei der AG für Abfallverwertung (Avag) hat man gemäss René Clausen wegen des positiven Verwaltungsgerichtsentscheids vom vergangenen April mit diesem Urteil gerechnet. "Trotzdem sind wir sehr froh, dass wir nun eine definitive Rechtsgrundlage für den Bau der KVA haben", sagte der Avag-Direktor dem "Bund". Die Avag habe indes immer an das Projekt geglaubt und dieses in den letzten Jahren weiter vorangetrieben. Somit habe man auch keine Verzögerung in Kauf genommen. Bereits im Sommer dieses Jahres erfolgt die Erschliessung des Areals auf der Kleinen Allmend. Im Herbst 2002 beginnt dann die Arbeit am Herzstück. Der Probebetrieb ist für die erste Hälfte 2004 geplant, im vierten Quartal desselben Jahres wird der Verbrennungsofen definitiv eingeheizt.

Die Anlage mit einer Verbrennungskapazität von fast 100 000 Tonnen ist laut Clausen vorwiegend für die Entsorgung der Abfälle aus den rund 150 Avag-Gemeinden bestimmt. Abnahmeverträge mit Privaten, so Clausen, habe man derzeit noch keine abgeschlossen. Der Bau der KVA kostet 175 Millionen Franken. Bund und Kanton übernehmen rund 75 Millionen, ein Bankenkonsortium rund 80 Millionen Franken. Die restlichen 20 Millionen werden mit Eigenmitteln finanziert.

Abfallpolitik bestätigt
Dori Schaer-Born hat die Nachricht aus Lausanne "mit Genugtuung" vernommen. "Es ist das Ende einer langen Geschichte, die mir zeitweise sehr zu schaffen machte", gab sich die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin gestern erleichtert. Das Bundesgericht habe sich an der Realität orientiert und mit dem Entscheid "die bernische Abfallpolitik der letzten Jahre bestätigt". Erst wenn die Thuner KVA den Betrieb aufnehme, könne der Kanton Bern vollständig auf die Deponierung der anfallenden Kehrichtmenge verzichten. "Im vergangenen Jahr mussten wir trotz Deponieverbot noch rund 80 000 Tonnen ablagern", bestätigte Martin K. Meyer. Der Vorsteher des kantonalen Amts für Abfallwirtschaft ist deshalb überzeugt, dass der Bau der Thuner KVA "dringend nötig" sei. Langfristig sei die Verbrennung für den Kanton Bern finanziell interessanter als der Export. "Im Vergleich zu ausserkantonalen Anlagen gehören wir nämlich zu den kostengünstigsten Entsorgern." Die Verbrennung einer Tonne kostet in Bern 170, in Biel 230 Franken. Nach Angaben des Avag-Direktors Clausen wird die Verbrennung in Thun 240 Franken kosten.

Martin K. Meyer rechnet zwar aufgrund der soeben ausgewerteten Abfalldaten mit einer "Stabilisierung der Kehrichtmenge". Trotzdem: Selbst mit dem Bau der Thuner Müllverbrennungsanlage sei das Problem der zu hohen Abfallmengen nicht vom Tisch. Laut Meyer mussten im vergangenen Jahr landesweit 400 000 Tonnen Kehrricht deponiert werden.

Pro Regio ist enttäuscht
Katerstimmung herrscht bei Pro Regio Thun. Der Verein hatte sich unter anderem zum Ziel gesetzt, den Bau der "Monsteranlage" zu verhindern. Mit dem vorliegenden Entscheid des Bundesgerichts ist das Vorhaben definitiv gescheitert. "Selbstverständlich sind wir enttäuscht", sagte der Pro-Regio-Sprecher Fredi Flügel. Die Richter seien "substanziell gar nicht auf die Beschwerde eingetreten", klagte er. Der Anwalt der 293 Beschwerdeführer, Marcus Sartorius, behauptete sogar: "Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft hat die Abfallbewirtschaftung so ausgerichtet, dass für Thun eine genügend grosse Menge Abfall vorhanden ist." Der juristische Kampf gegen den Verbrennungsofen kommt den Verein nun teuer zu stehen. Insgesamt rechnet Fredi Flügel mit bis zu 30 000 Franken. Etwa die Hälfte davon hat der Gang nach Lausanne verschlungen: Neben 10 000 Franken Gerichtsgebühren muss Pro Regio der siegreichen Partei noch 6000 Franken Entschädigung bezahlen. Über die Zukunft von Pro Regio wollte Flügel nicht spekulieren. Obwohl der Kampf gegen die KVA verloren sei, müsse sich der Verein nicht zwangsläufig auflösen.

Zehnjähriges Hin und Her
Anfang der 90er-Jahre hat die Avag mit der Planung einer eigenen Kehrichtverbrennungsanlage begonnen. Anstoss dazu gab der Bund, der in der revidierten Umweltschutzgesetzgebung verlangte, dass ab dem 1. Januar 2000 keine brennbaren Abfälle mehr deponiert werden dürfen. Lange Zeit war das Projekt unbestritten. Erst im Dezember 1996 änderte sich die Stimmung radikal, und bis im Januar 1997 sammelten die im Verein Pro Regio Thun zusammengeschlossenen Gegner 6000 Unterschriften gegen die KVA. Zunehmend kritisiert wurde das projektierte Schwelbrennverfahren.

Am 4. Mai 1998 wies das Verwaltungsgericht eine erste Beschwerde der KVA-Gegner einstimmig ab. Die Richter zweifelten weder am Bedarf noch an der Umweltverträglichkeit der neuartigen Technologie. Umso überraschender kam im Juni 1998 die Redimensionierung des Ofens durch die Avag: Statt 150 000 Tonnen Jahreskapazität sollten 100 000 Tonnen reichen; auf die Schwelbrenntechnik, die in der deutschen Pilotanlage Fürth damals noch funktionierte, wurde verzichtet. Das Planungs- und Baubewilligungsverfahren begann erneut.

Ein halbes Jahr später meldete sich der Preisüberwacher Werner Marti zu Wort. Die geplanten Anlagen in Thun und im Tessin seien überflüssig, zitierte er ein Gutachten. Die bestehenden KVA-Kapazitäten genügen bis mindestens ins Jahr 2010. Trotzdem entschied die Regierung im September 1999, dass die Thuner KVA gebaut werden solle. Die Einsprachen wurden abgelehnt, worauf die Gegner erneut den Weiterzug ans Verwaltungsgericht ankündeten. Doch auch im April 2000 wies das Verwaltungsgericht die über 350 Beschwerden einstimmig ab.

adk.


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02.04.2000