SBA-THUN
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BERNER ZEITUNG OBERLAND (18.06.1999)
KVA vor Popularitätstest

Thun. Heute Freitag haben die Aktionäre der Abfallunternehmung Avag den Bauentscheid zur KVA Thun zu fällen. Dass die umstrittene Grossanlage vor diesem Gremium durchfällt, gilt als unwahrscheinlich.

Über 3000 Einsprecher und ein Regierungsstatthalter, der den Bau der Kehrichtverbrennungs-Anlage in der Stadt für zu gefährlich hält: Das Projekt KVA Thun musste in den letzten Wochen Prügel einstecken. Einen Popularitätstest anderer Art hat das Bauvorhaben heute Freitag zu bestehen. In Münsingen treten die Aktionäre der AG für Abfallverwertung (Avag) zur Generalversammlung zusammen. Die Avag ist Bauherrin der KVA und auf deren Traktandenliste steht der Baubeschluss zu den Thuner Verbrennungsöfen. Wie werden die Delegierten aus den 150 Gemeinden der Avag-Abfallregion und die privaten Aktionäre heute in Münsingen stimmen? Die Gegnervereinigung Pro Regio Thun riet in den letzten Tagen in einem an die Verbandsgemeinden gerichteten Schreiben eindringlich vom Ja zur KVA ab. Dass sich die Delegierten an die Nein-Parole halten, gilt aber als wenig wahrscheinlich: Im Baubewilligungsverfahren haben mit Hilterfingen und Oberhofen nur zwei von 150 Gemeinden Einsprache erhoben. Die Gemeinden sind zur Hauptsache an einer sicheren und preisgünstigen Abfallentsorgung interessiert. Beides bietet nach Meinung von Avag und Kanton die KVA Thun.

Wer das Sagen hat
Wie stark das Interesse der Avag an einer eigenen KVA ist, zeigte der Bauentscheid zur ebenfalls heftig umstrittenen Schwelbrennanlage (SBA). 98 Prozent stimmten für die SBA, die dann nicht gebaut wurde. Wenig bekannt ist, dass die Mehrheit der Avag-Aktien gar nicht in der Hand der Gemeinden ist. Die privaten Firmen Kies AG Aaretal, Kieswerk Steinigand AG und Sonderabfallverwertungs AG besitzen 54 Prozent der Aktien. Diese Firmen sind stark an der Rekultivierung der einstigen Kiesabbaugebiete und damit an der gesicherten Zukunft der Avag interessiert. Gesichert wird die Zukunft der Avag vorab mit dem Bau der KVA. Doch die privaten Grossaktionäre können die KVA nicht im Alleingang durchdrücken. Laut Verwaltungsratspräsidentin Elisabeth Josi sind für den Bauentscheid 75 Prozent Ja-Stimmen nötig. KVA-Projektleiter René Clausen rechnet trotzdem nicht mit einer Zitterpartie. Seine Prognose: 85 bis 90 Prozent werden sich hinter die KVA stellen. Das letzte Wort ist mit dem Bauentscheid der Avag allerdings nicht gefallen. Definitiv entscheiden werden der Regierungsrat und danach vermutlich die Gerichte.

Export kostet Geld
Die Avag rechnet mit Baubeginn Ende 2000. So könnte die KVA Anfang 2004 in Betrieb genommen werden. Bereits ab nächstem Jahr darf die Avag die brennbaren Abfälle jedoch nicht mehr deponieren. In der Übergangszeit wird exportiert: 32 Jahrestonnen gehen ins solothurnische Zuchwil (Kebag), 48 Tonnen in den Aargau, 10 000 Tonnen sollen zwischengelagert werden (Kasten). Der Export ist nicht billig: Heute Freitag haben die Delegierten über eine Investition von 3,6 Millionen Franken zu entscheiden. Das Geld wird für die Transportlogistik, den Kehrichtumschlag und eine Schlackendeponie benötigt. Nach Angaben von Clausen wird der Abfall in der Übergangsphase ausschliesslich mit Lastwagen transportiert. Erst bei der definitiven Lösung soll in die Bahn investiert werden.*

Zwischenlager in Ballen
Die Avag darf ab dem nächsten Jahr den brennbaren Abfall nicht mehr deponieren. Dies verbietet das Bundesgesetz. Trotzdem will die Avag nicht sämtlichen Abfall in auswärtige Verbrennungsanlagen exportieren. Wie Projektleiter René Clausen gestern darlegte, sollen 10 000 Jahrestonnen gepresst, in Ballen verpackt und in der Deponie Türliacher zwischengelagert werden. Dieser Kehricht soll später in der KVA Thun verbrannt werden - sofern die umstrittene Anlage tatsächlich gebaut wird. Laut Clausen hat sich die Zwischenlagerung an anderen Orten bereits bewährt. Begründet wird die ungewöhnliche Methode mit den Kosten. Das Ballenlager und die spätere Verbrennung in der eigenen KVA koste deutlich weniger als der Export. Clausen beziffert die Differenz pro Abfalltonne auf 20 Franken. Nach Angaben des Avag-Direktors ist die externe Verbrennung auch nicht ständig garantiert.

ghs
*Godi Huber


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22.06.1999