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Facts 26.06.1997 Nr. 26 Seite 34 Schweiz
Kehrichtverbrennungsanlage Thun

Kehrichtverbrennungsanlage Thun:

*Güsel und Geld für die neue Anlage gesucht*

«Unsicher und unnötig», sagen die Gegner. Doch der Kanton ist von der neuen KVA in Thun begeistert.

Thun bekommt ein neues Wahrzeichen: Mitten im Siedlungsgebiet ist eine riesige Müllverbrennungsanlage geplant - siebenmal so gross wie das Schloss Thun. Ein 70 Meter hoher Kamin wird die Stadt überragen.

Für die Verbrennung der Abfälle aus 150 Gemeinden wird eine neue Technologie eingesetzt, das so genannte Schwelbrennverfahren. Es entgast die Abfälle und verbrennt sie anschliessend bei 1300 Grad. Bisher wird das Verfahren erst in der deutschen Stadt Fürth angewandt.

Umso umstrittener ist das Projekt in Thun. Die Bevölkerung konnte nicht mitentscheiden, ob es realisiert werden darf oder nicht. Es gab keine Abstimmung, weil laut Regierungsrätin Dori Schär (SP) solche Anlagen im Kompetenzbereich der Kantonsregierung liegen.

Baudirektorin Schär, die das Projekt befürwortet, ist überrascht über die seit Monaten dauernden Auseinandersetzungen zwischen den Betreibern der Anlage und der Gegnerin Pro Regio Thun: "So etwas habe ich noch nie erlebt."

Erfahrungen in Deutschland nährten den Widerstand der Kritiker: Die Schwelbrennanlage in Fürth wurde am 3. Juni aus technischen Gründen stillgelegt. Die Gegner betrachten die Anlage seither erst recht als Risikotechnologie. "Nicht erprobt", kritisiert etwa die Umweltorganisation Greenpeace.

In Fürth verfolgt die Ingenieurin Waltraud Galske die Müllverbrennungsanlage seit 1984. Sie fürchtet, dass nach der Verbrennung zu viele giftige Schwelgase entweichen können: "Das Gefährdungspotenzial ist gross", sagt sie.

René Clausen, Direktor der AG für Abfallverwertung (AVAG) in Jaberg BE, wiegelt ab: "Es ist zwar ein Pilotprojekt, aber die Anlage ist absolut sicher." Auch der deutsche Hersteller Siemens tat Zweifel an der Sicherheit als "Unsinn" ab.

Umstritten ist auch, ob es ein so grosses Werk tatsächlich braucht. Denn es gibt viel zu viele Müllverbrennungsanlagen in der Schweiz, die teuren Anlagen sind schlecht ausgelastet. Anfang Januar 1997 horchte auch Preisüberwacher Werner Marti auf, als er übertriebene Kehrichtgebühren unter die Lupe nahm: "Die mangelnde Auslastung der Anlagen", sagte Marti, "ist ein Problem." Bei einigen Müllöfen liegt der Auslastungsgrad weit unter achtzig Prozent.

Abfalltrennung und Kehrichtsackgebühren liessen den Schweizer Abfallberg in den letzten Jahren schrumpfen. Um die millionenteuren Anlagen einigermassen auszulasten, kaufen Betreiber von Müllöfen jetzt Kehricht im Ausland, wie das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) bestätigt. Das tun etwa Horgen im Kanton Zürich, die aargauischen Anlagen in Turgi und Oftringen, Basel oder Weinfelden. Aktuellstes Beispiel ist das Zürcher Abfuhrwesen (AWZ). Dort möchte man mit Dumpingpreisen neue Kunden gewinnen. Sonst drohen in Zürich Personalabbau und Stilllegung von Anlagen.

In Thun wird nicht nur die schlechte Auslastung Sorgen bereiten. Ein neues Problem stellt die Entsorgung der hochgiftigen Schlacke dar. Sie darf nicht auf einer Deponie gelagert werden. Das Buwal, der Kanton Bern und der AVAG-Direktor meinen unisono, das Schlackenproblem lasse sich einfach lösen. Sie wollen den Sondermüll unter Strassenschotter mischen lassen. Sie hoffen dafür auf eine lockere Handhabung des Gesetzes.

Auch finanziell hat die Thuner Anlage Folgen: Ein Thuner Kehrichtsack wird mindestens 70 Rappen kosten. Trotz der höheren Einnahmen bleibt die Finanzierung des Ofens die grösste Sorge von AVAG-Direktor Clausen. Von mindestens 300 Millionen Franken für den Bau fehlen noch rund 270. Die Schweizer Banken sind zurückhaltend. Nun bestätigt Clausen: "Wir verhandeln jetzt mit ausländischen Banken."


TALK TO US
27.04.1998