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Kassensturz vom 15.11.2005
Abfalltourismus: Täglich Müll aus Deutschland

Immer mehr Müll wird zur Entsorgung in die Schweiz gekarrt - zu Dumpinpreisen und über mehrere hundert Kilometer weit. Schweizer Kehrrichtverbrennungsanlagen reissen sich um diesen Müll: Weil es in der Schweiz zu viele hat, sind die Verbrennungsanlagen nicht ausgelastet.

In der Schweiz werden jährlich über 3 Millionen Tonnen Abfall verbrannt. Die 28 Kehrichtverbrennungsanlagen verbrennen nicht nur Schweizer Kehricht, sondern auch Müll aus Deutschland. In der Region Waldshut werden täglich sechs LKW mit deutschem Abfall beladen und über die Grenze gekarrt. Der Grund: Deutschland hat zu wenig Kapazität und kann selber den Abfall nicht verbrennen.

Grenznahe Transporte wie zum Beispiel nach dem aargauischen Buchs gibt es schon seit Jahren. Doch immer mehr deutscher Müll wird über hunderte Kilometer in die Schweiz gefahren. Gegen solch ökologisch unsinnige Transporte setzt sich der Verein Alpeninitiative ein: "Wir finden solche überflüssigen Transporte unsinnig. Denn ab einem Lastwagentransport ab 50 Kilometer wird mehr Feinstaub frei gesetzt als bei der Verbrennung von Müll", sagt Geschäftsführer Alf Arnold.

Folgende Schweizer Kehrichtverbrennungsanlagen entsorgen regelmässig deutschen Müll, der von weit her kommt: Basel, Zürich, Buchs Aargau, Turgi und Hinwil. Sogar Trimmis im Kanton Graubünden nimmt Abfall aus Deutschland. Kassensturz weiss: Bis zu 300 Kilometer fährt ein 40 Tonnen schwerer Lastwagen hin und wieder zurück. Für die Kehrichtverbrennungsanlage Trimmis ist der ökologische Unsinn kein Thema: "Man muss die Verhältnismässigkeit sehen. Pro Werktag sind es zwei Lastwagen. Gleichzeitig fallen aber unsere Lastwagentransporte weg, die wir früher wegen mangelnder Kapazität ins Unterland machen mussten. Also das ist absolut vertretbar", sagt der Präsident des Verbands für Abfallentsorgung, Rolf Stiffler.

Vertretbar? Der Güterzug mit dem Abfall aus dem Oberengadin fährt nicht in die nahegelegene Kantonale Verbrennungsanlage Trimmis, sondern daran vorbei: Der Abfall aus dem Oberengadin wird seit Jahren in der Kehrichtverbrennungsanlage Niederurnen im Kanton Glarus entsorgt. Der Grund: ein regionaler Streit. Der Kanton Graubünden exportiert tausende Tonnen Abfall in den Kanton Glarus und importiert gleichzeitig deutschen Müll, der hunderte Kilometer weit her transportiert werden muss. Und das zu Dumpingpreisen: Die Bündner Gemeinden zahlen 182 Franken pro Tonne. Die deutschen Gemeinden entsorgen ihren Müll für 28 Franken weniger, für 154 Franken. Stiffler verteidigt den Preis: "Genau dieser Mehrkehricht und die vielleicht etwas niedrigen Einnahmen helfen, dass wir demnächst mit unseren Preisen etwa 20 Franken pro Tonne runter gehen können. Und damit profitiert der Konsument massiv, wenn die Gemeinden dies weitergeben." Tatsache ist: Die Bündner Gemeinden zahlen auch dann noch mehr als die deutschen.

Jede Gemeinde macht, wie sie will. Nicht nur im Kanton Graubünden. Unsinnige Transportwege werden bewusst in Kauf genommen. Und auch der Abfallimport ist in den letzten Jahren konstant gestiegen. Waren es im Jahr 2004 noch 80'000 Tonnen, rechnet das Bundesamt für Umwelt fürs Jahr 2006 mit über 200'000 Tonnen. Ein Grund für die starke Zunahme: Seit dem 1. Juni dieses Jahres gilt in Deutschland das Deponieverbot. Abfälle dürfen nicht mehr gelagert, sondern müssen verbrannt werden. Doch Deutschland hat zu wenig Verbrennungsanlagen. Die Schweizer hingegen haben eine Überkapazität und reissen sich um den ausländischen Müll.



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28.11.2005