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Neue Zürcher Zeitung ZÜRICH UND REGION Donnerstag, 18.11.1999
65 000 Tonnen Tessiner Abfall für Zürcher Kehrichtwerke?

Bessere Auslastung dank Deponieverbot möglich

Ab Anfang des nächsten Jahres dürfen hierzulande keine brennbaren Abfälle mehr deponiert werden. Dadurch sind einzelne Kantone gezwungen, ihren Kehricht zumindest vorübergehend ausserkantonal verbrennen zu lassen. Für den Kanton Zürich steht damit die Übernahme von Siedlungsabfällen im Umfang von 65 000 Tonnen pro Jahr aus dem Kanton Tessin zur Diskussion. Ob es so weit kommt, ist allerdings noch offen.

K. R. Die Technische Verordnung über Abfälle (TVA) des Bundes sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2000 in der ganzen Schweiz keine brennbaren Abfälle mehr deponiert werden dürfen. Auf Grund des Ablagerungsverbotes sind verschiedene Kantone und Regionen ohne eigene Verbrennungskapazitäten gezwungen, ihre Siedlungsabfälle zumindest vorübergehend, d. h. bis zum Vorliegen einer eigenen gesetzeskonformen Lösung, Kantonen mit entsprechenden Einrichtungen zur Entsorgung anzubieten. Zu den Kantonen mit freien Entsorgungskapazitäten zählt der Kanton Zürich mit seinen insgesamt sechs Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) in Zürich (2), Winterthur, Hinwil, Dietikon und Horgen. Nach den Vorschlägen des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) soll der Kanton Zürich im Verbund mit dem Kanton Thurgau vorübergehend Siedlungsabfälle aus den Kantonen Freiburg und Tessin zur Entsorgung entgegennehmen.

Bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt steht allerdings fest, dass im Kanton Zürich kein zusätzlicher Hauskehricht aus dem Kanton Freiburg verbrannt werden wird. Nach Auskunft von Christoph Maag, dem Leiter des Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel), hat der Kanton Freiburg den Kanton Zürich vergangene Woche wissen lassen, dass Freiburg die derzeit noch in Deponien entsorgten Siedlungsabfälle mit dem Inkrafttreten des Ablagerungsverbotes bis zur Inbetriebnahme einer eigenen Verbrennungsanlage zwischenzulagern und danach im eigenen Werk zu entsorgen gedenke. - Somit bleibt noch der Kehricht aus dem Tessin im Umfang von gesamthaft 130 000 Tonnen pro Jahr. Dieser soll je zur Hälfte im Kanton Zürich und im Kanton Thurgau verbrannt und innerhalb des Kantons Zürich auf die KVA Winterthur (35 000 Tonnen), die beiden KVA Josefstrasse und Hagenholz in Zürich (15 000), die KVA Horgen (10 000) und die KVA Dietikon (5000) aufgeteilt werden. Wie berichtet, beantragt der Stadtrat von Winterthur dem Parlament, im Hinblick auf das Deponieverbot die geltende Kapazitätslimite von 110 000 Jahrestonnen aufzuheben (NZZ 4. 11. 99).

Mit der Übernahme des Tessiner Kehrichts im Umfang von 65 000 Jahrestonnen liesse sich in den sechs Zürcher Kehrichtwerken weitgehend Vollauslastung erreichen, sagt Christoph Maag. Seinen Angaben gemäss konnten die in den vergangenen Jahren entstandenen Überkapazitäten in den Zürcher Kehrichtwerken in der Zwischenzeit zu einem schönen Teil abgebaut werden. Zum einen sank 1999 die theoretische Verbrennungskapazität wegen der Stillegung auf Grund verschiedener altersbedingter Defekte je einer Ofenlinie in der KVA Josefstrasse in Zürich und in der KVA Hinwil von 873 000 auf 716 000 Jahrestonnen. Zum anderen stand der Abnahme der Kapazität erstmals seit 1995 eine Zunahme der verbrannten Kehrichtmenge um 5,8 Prozent auf neu 590 000 Jahrestonnen gegenüber. Somit stieg die Auslastung zwischen 1997 und 1998 von 61 auf 82,4 Prozent.

Zahlreich waren in den vergangenen Jahren die Bemühungen, die Kehrichtverbrennungsanlagen besser auszulasten und zusätzlichen Kehricht von ausserhalb des eigentlichen Einzugsgebietes zu akquirieren. In Zürich werden heute Siedlungsabfälle aus dem deutschen Waldshut, in Winterthur solche aus dem Kanton Zug, in Horgen wird Urner und in Dietikon Aargauer Kehricht entsorgt. Ob ab Beginn des nächsten Jahres auch noch Siedlungsabfälle aus dem Tessin verbrannt werden, ist allerdings selbst wenige Wochen vor dem Inkrafttreten des Deponieverbots noch offen. Die Tessiner wehren sich gegen den Export von brennbaren Abfällen in die Deutschschweiz und verlangen eine Sonderregelung.

Marc Chardonnens, Leiter der Sektion Abfallanlagen im Buwal, erinnert auf Anfrage, dass Bundesrat Moritz Leuenberger bei verschiedenen Gelegenheiten betont habe, dass der Bund am Deponieverbot festhalten werde. Laut Chardonnens steht mit dem Inkrafttreten des Verbotes per 1. 1. 2000 gesamtschweizerisch allerdings ein eher knappes Angebot an freien Verbrennungskapazitäten zur Verfügung. Von 1996 bis 1998 sei die Abfallmenge um vier Prozent gestiegen, und auch für 1999 werde wegen der besseren Wirtschaftslage mit einer Zunahme gerechnet. Der Engpass sei indes bloss von vorübergehender Dauer.


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22.12.1999