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Neue Zürcher Zeitung INLAND Freitag, 19.11.1999
Den Sonderfall Tessin erklären Kantonsregierung spricht in Bern vor

An einem Treffen mit den Bundesräten Leuenberger und Couchepin hat der Tessiner Staatsrat die Anliegen des Kantons im Zusammenhang mit den bilateralen Verträgen, dem Bau der Neat und dem neuen Finanzausgleich vorgebracht. Er ist dabei in Bern nur teilweise auf Verständnis gestossen.

Lugano, 18. November
Die Tessiner Regierung ist am Donnerstag in corpore nach Bern gereist, um den Bundesräten Moritz Leuenberger und Pascal Couchepin den Sonderfall zu erklären, den der südlich der Alpen liegende Schweizer Kanton darstellt, und um die sich daraus ergebenden Forderungen zu formulieren. Keine andere Schweizer Region befinde sich in der Nähe eines Wirtschaftsraums, der die Dynamik, die Produktivität und die Konkurrenzfähigkeit der Lombardei aufweise, schreibt der Staatsrat im Dokument, das er zur Sitzung mitbrachte. Die Tessiner Regierung zeigt sich besorgt, die bilateralen Verträge würden die Sprachregionen "zentrifugalen Kräften" aussetzen, auf die das Tessin, angesichts der Anziehungskraft Norditaliens, besonders anfällig sein könnte. Um den Zusammenhalt des Landes zu stärken, müsse die wirtschaftliche und soziale Marginalisierung vermieden werden und jede Region entsprechend ihrer besonderen Lage gefördert werden, heisst es im Papier des Staatsrates.

Couchepin bleibt hart
Konkret schlägt der Kanton Tessin dem Bund acht "absolut unverzichtbare" Massnahmen vor. Im Zusammenhang mit den bilateralen Verträgen soll deren Erfüllung durch Italien garantiert und sollen ihre Folgen auf das Tessin von einem Observatorium beobachtet werden.
Für den Verkehr fordert das Tessin eine Überwachung der Verkehrsentwicklung auf der A 2, die vollständige Realisierung der Eisenbahn-Transversale einschliesslich der Verbindung Lugano-Mailand, der Vorverlegung des Baus des Ceneri-Basistunnels sowie der Strecke Lugano-Varese-Malpensa. Ein weiteres Anliegen ist der neue Finanzausgleich zwischen dem Bund und den Kantonen, der zurzeit in der Vernehmlassung ist. Während das Tessin im allgemeinen die positive Beurteilung der anderen Kantone teilt, ist es mit den Berechnungsmechanismen zur Finanzkraft der Kantone nicht einverstanden, die dem Kanton einen Verlust von über 50 Millionen Franken bringen würden. Bei seiner Rückkehr von Bern zeigte sich der Staatsrat vom Treffen mit den beiden Vertretern der Landesregierung nur teilweise befriedigt. Enttäuscht war die Tessiner Regierung über das mangelnde Verständnis, das Wirtschaftsminister Couchepin den Tessiner Sorgen über die Folgen der bilateralen Verträge auf den Grenzkanton entgegenbringe. Couchepin scheint nicht bereit, irgendwelche tessinspezifische flankierende Massnahmen zugestehen zu wollen. Befriedigt zeigte sich hingegen Finanzministerin Marina Masoni zur Bereitschaft Berns, die Berechnungsmodalitäten für den neuen Finanzausgleich zu überprüfen. Auch die Anliegen betreffend die Überwachung des Verkehrs auf der A 2 und die schnelle und vollständige Realisierung der Neat sind bei Verkehrsminister Leuenberger auf offene Ohren gestossen, wie Verkehrsdirektor Marco Borradori feststellte.

Abfallkrieg geht weiter
Verschlossen zeigte sich Leuenberger aber gegenüber dem Tessiner Wunsch, seine Kehrichtdeponien für weitere zwei Jahre offenzuhalten, bis die neue Kehrichtverbrennungsanlage fertiggestellt ist. Das Tessin wird nun versuchen, über die Gerichte so viel Zeit wie möglich herauszuschinden, bevor der Abfall, wie das Gesetz es will, zur Verbrennung über die Alpen geführt werden muss. Der Staatsrat sei sich bewusst, sagte Borradori, dass mit nur einem Treffen das Ziel einer Übereinstimmung zwischen beiden Seiten nicht erreicht werden könne; er hoffe deshalb auf weitere Kontakte in den strittigen Fragen. jbi.


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22.12.1999