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Neue Zürcher Zeitung INLAND Freitag, 24.09.1999 Nr. 222
Berner Vorentscheide zur Kehrichtverbrennung

Bewilligung für Thuner Anlage - Verzicht auf Projekt in Rüti

Die Berner Regierung hat die Baubewilligung für eine Kehrichtverbrennungsanlage in Thun erteilt. Dort sollen in einem konventionellen Ofen statt nach dem zunächst geplanten Schwelbrennverfahren jährlich 100 000 Tonnen Abfall aus 150 Gemeinden entsorgt werden. Einen Tag vorher war das Vorhaben für einen Sondermüllofen in Rüti bei Büren gestoppt worden. Das Urteil des bernischen Verwaltungsgerichts, das die Erschliessung beanstandet hatte, wird von der projektierenden Firma nicht an das Bundesgericht weitergezogen.

kfr. Bern, im September
Die Opposition gegen eine Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) auf der kleinen Allmend in Thun ist unverändert gross. Zwar hatte es nur 57 Einsprachen gegeben; eine davon trägt jedoch 3200 Unterschriften. Die Berner Regierung hat nun sämtliche Einsprachen abgewiesen, der Überbauungsordnung zugestimmt und damit der AG für Abfallverwertung (Avag) die Baubewilligung erteilt. Damit ist jedoch das letzte Wort zur Anlage - sie soll mit einer Verbrennungskapazität von jährlich 100 000 Tonnen den Abfall von 150 Gemeinden im Oberland sowie im Gürbe-, Aare- und Emmental entsorgen, und die Kosten belaufen sich auf 190 Millionen Franken - noch längst nicht gesprochen. Der Entscheid der Regierung dürfte von der Gegnerschaft beim bernischen Verwaltungsgericht angefochten werden.

Langfristige Entsorgungsstrategie
Anfang Juli hatte die kantonale Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion die Forderung der Gegner einer KVA in Thun, es seien vor weiteren Entscheiden alternative Szenarien aufzuzeigen und andere Standorte zu prüfen, zurückgewiesen. Für die mittelfristige Entsorgungssicherheit der Region der Avag gebe es zurzeit keine ökonomisch und gesetzlich vertretbaren Alternativen, liess die Direktion verlauten; auch sei der Standort Thun richtig, und im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung seien die Belastungen in bezug auf Sicherheit, Lärm und Luft sowie mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit sehr sorgfältig abgeklärt worden.

Bereits Mitte Mai 1997 erliess der Regierungsrat eine kantonale Überbauungsordnung und erteilte die Baubewilligung für eine KVA in Thun. Die Anlage hatte 150 000 Tonnen Jahreskapazität und sollte nach dem sogenannten Schwelbrenn- verfahren arbeiten. Die neue Verfahrenstechnik wurde gewählt, weil man sich weniger und vor allem problemlosere Rückstände erhoffte. In Thun war eine von drei Anlagen geplant, die nach Auffassung der Bundesbehörden ab dem Jahr 2000 nötig sind, wenn - wie es damals hiess - rund 1 Million Tonnen Abfall (die heute noch deponiert werden) umweltgerecht entsorgt werden müssen. Im Sommer 1998 wurde indessen die Schwelbrennanlage nach heftigem Widerstand und einigen Zweifeln am Verfahren aufgegeben.

Subventionszusage noch offen
Die Regierung habe den Bauentscheid für die KVA Thun nicht leichtfertig gefällt, betonte Werner Luginbühl als Vorsteher der Justiz- und Gemeindedirektion; der Bedarf sei jedoch gegeben, die Umweltverträglichkeit erwiesen und der Standort richtig. Wenn der Entsorgungsauftrag des Bundes und das Deponieverbot ernst genommen würden, gebe es keine Alternative, ergänzte Baudirektorin Dori Schaer-Born. Spätestens im Jahr 2005 brauche es neue Anlagen, um die Lücke zwischen den Verbrennungskapazitäten von 2,85 Millionen Tonnen und der Abfallmenge zu schliessen. Der voraussichtliche Kapazitätsbedarf von 328 000 Tonnen könnte in Thun und im Tessin sowie mit einer neuen Ofenlinie in der KVA Monthey gedeckt werden.

Die Opposition im Verein «Pro Regio Thun» ist darüber befremdet, dass die kantonale Überbauungsordnung als «demokratische Diktatur» eingesetzt werde. Die Gegnerschaft des «unnötigen Prestigeprojektes» werde missachtet. Anders als vor zwei Jahren verzichtete die Regierung darauf, zusammen mit der Überbauungsordnung die Subvention zu bewilligen. Es sei transparenter, darüber erst zu befinden, wenn man wisse, ob auch der Bund zahle, begründete Baudirektorin Schaer diese Zurückhaltung. Die Avag erwartet vom Bund und vom Kanton je 37 Millionen Franken. Sie hält das Projekt aber auch für gesichert, wenn der Bundesbeitrag wegfällt.

Kein Sondermüllofen in Rüti
Einen Tag vor der Eröffnung des Entscheides in Thun war die Projektierung eines Sondermüllofens in Rüti bei Büren an der Aare gestoppt worden. Die zur Waadtländer Métraux-Gruppe gehörende Thommen AG gab bekannt, dass sie das Urteil des Berner Verwaltungsgerichtes, mit dem ihre Beschwerde gegen den Bauabschlag (die Verweigerung der Baubewilligung) der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion abgewiesen worden war, nicht beim Bundesgericht anfechten werde. Dem seit Jahren geplanten Bau eines Sondermüllofens mit einer Jahreskapazität von 50 000 Tonnen, in dem Reststoffe von Autoverschrottungsanlagen (Resh) aus der ganzen Schweiz entsorgt werden sollten, war heftiger Widerstand erwachsen.

Das Verwaltungsgericht hatte das Baugesuch namentlich wegen der Erschliessung abgelehnt. Dazu bemerkte die Gesuchstellerin, es sei bemühend, feststellen zu müssen, dass ein Projekt von nationaler Bedeutung «auf Grund unterschiedlicher Rechtsauffassung bezüglich untergeordneter Erschliessungsfragen» während Jahren blockiert werden könne. Weil die Erstellung einer gesamtschweizerischen Resh-Entsorgungs- und Verwertungsanlage unverändert vordringlich sei, prüfe sie nun andere Standorte.


TALK TO US
28.09.1999