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Der Oberhasler, März 1998
Abfallentsorgung

Um unsere Ghüdersäcke wird eifrig gestritten

rm. Das Gerangel um unseren Ghüder ist wieder in Bewegung geraten. Zur geplanten Schwelbrennanlage Thun ist ein technisches Gutachten erschienen. Die AVAG als Bauherrin sieht darin keine Änderung der Sachlage. Die Gegnerschaft, die Pro Regio Thun ist indessen nicht untätig geblieben. Sie legt eine Offerte der ACTS AG vor, die schon jetzt den AVAG-Ghüder übernehmen und günstig verbrennen möchte. Die Pro Regio Thun stützt sich auf Aussagen des Preisüberwachers. Er liebäugelt mit einem Baustopp für neue Kehrichtverbrennungsanlagen.

Wenn es nach der Pro Regio Thun ginge, dann würden Ghüdersäcke aus Meiringen bereits dieses Jahr nicht mehr von der AVAG (AG für Abfallverwertung) entsorgt, wie das so schön heisst. Die Vereinigung, die sich gegen den Bau einer Schwelbrennanlage in Thun wehrt, hat andere Pläne: Die eingesammelten Säcke sollen in den Umladestationen von der ACTS AG (Abroll-Contrainer-Transport-Service AG) übernommen werden. Die ACTS AG, die schweizweit operiert, wäre dann dafür besorgt, dass der Abfall mit der Bahn einer bestehenden Verbrennungsanlage zugeführt würde. Pauschal würde das 280 Franken pro Tonne kosten, rechnet die Pro Regio Thun stolz vor.

«Nur ein Teil der Geschichte»

Gegenwärtig berappen die Gemeinden der AVAG weniger als 200 Franken pro Tonne. Ein starkes Argument auf der Seite der AVAG, deren Direktor René Clausen dazu die passenden Worte findet: Es entbehre jeder Logik, bereits jetzt Müll zu verbrennen, der noch bis Ende 1999 auf den Deponien gelagert werden dürfe. Clausen geht aber noch weiter und weist darauf hin, dass die AVAG schon früher ähnliche Zahlen vorgelegt habe, mit denen die Gegnerschaft jetzt buhlt. Müsse man Abfall weitertransportieren und verbrennen, so käme das auf 260 Franken pro Tonne zu stehen. Dies habe die AVAG letzten Herbst zuhanden des Kantons berechnet. Das sei aber nur ein Teil der Geschichte, führt Clausen weiter aus. Kantonale Abgaben und verbleibender Aufwand seitens der AVAG würden auch bei der Variante Weitertransport weitere rund hundert Franken je Tonne kosten. Zu diesen Kosten der AVAG zählt, so Clausen, die «Nachsorgung» der Deponien, die heute bestehen, die Umrüstung der Umladestationen auf ACTS sowie Verwaltungs- und Infrastrukturkosten.

Teurer wird es so oder so

Auch mit der geplanten Schwelbrennanlage in Thun will die AVAG billiger sein als die Konkurrenz. In der eigenen Verbrennungsanlage rechnet die AVAG mit 270 Franken pro Tonne. Dies käme den Bürger immer noch hundert Franken billiger als die Exportvariante. Nicht in die Berechnungen einbezogen sind allerdings Subventionen, in deren Genuss die AVAG-Variante käme. Erklärtes Ziel der AVAG war es, ihre Verbrennungsanlage im Jahr 2000 in Betrieb zu nehmen. Also zu dem Zeitpunkt, wenn die Deponien in der Schweiz geschlossen werden müssen. Dieses Ziel, dies rechnet nun wieder die Pro Regio Thun vor, dürfte verfehlt sein. Gegenwärtig befasst sich das Verwaltungsgericht mit dem jüngsten technischen Bericht zur Schwelbrenntechnologie, der dieser Tage erschienen ist. Der Bauentscheid zur Thuner Anlage wird nicht vor Ende Mai erwartet. Sollte denn gebaut werden, so würde ab dem Jahr 2000 zumindest solange die Transportvariante einspringen müssen, bis die Öfen in Thun brennen. Mehrkosten also auch hier.

Optimistisch pessimistisch realistisch

Das Papier der Pro Regio Thun enthält eine ganze Reihe Aussagen des Preisüberwachers Werner Marti. Aussagen, die Wasser auf die Mühlen der Pro Regio sind. Im Jahresbericht des Preisüberwachers stellt dieser die Frage, «ob es nicht klüger wäre, die momentan vorangetriebenen KVA-Projekte zu stoppen?». Zweck eines Planungsstopps für Kehrichtverbrennungsanlagen wäre es, Zeit zu gewinnen, um «die entscheidende Frage nach der nach dem Jahr 2000 realistischerweise zu erwartenden Kapazitätssituation zu beantworten». Diese Frage ist derzeit alles andere als beantwortet. Pessimistische Schätzungen des Buwals sagen: Nach der Schliessung der Abfalldeponien wird der Abfallberg von den bestehenden Anlagen nicht bewältigt werden können. Dem Schweizer Preisüberwacher liegen aber auch Expertisen vor, wonach in den bereits stehenden Verbrennungsanlagen nach 2000 immer noch Überkapazitäten von weit über einer Million Tonnen pro Jahr bestehen würden. Angesichts der Kluft zwischen den Expertenmeinungen möchte Marti zuwarten. Es solle nicht zu Planungsfehlern kommen, wie es im Bereich der Spitäler bereits geschehen sei. Auch die Transportkosten seien kein entscheidendes Argument mehr für regionale Verbrennungsanlagen. Der Preisüberwacher: «Abfälle können heute auf Abrollcontainern problemlos und kostengünstig durch die ganze Schweiz transportiert werden, wobei die Distanz als Kostenfaktor an Bedeutung verloren hat.»

Oberland ein Spezialfall?

René Clausen von der AVAG will Martis Aussagen nicht gelten lassen, was das Berner Oberland betrifft. Der Preisüberwacher habe sich viel zuwenig mit den speziellen Gegebenheiten des Oberlandes vertraut gemacht. Dies habe Marti gegenüber der AVAG auch bestätigt und gesagt, seine Aussagen hätten «allgemeinen Charakter».

Schwelbrennanlagen unter der Lupe

Ein nächster Streitpunkt wird der Typ der Verbrennungsanlage sein, der in Thun gebaut werden soll. Nach Startschwierigkeiten einer solchen Anlage in Deutschland kommt einem technischen Gutachten besondere Bedeutung zu, das jetzt den Befürwortern und Gegnern vorliegt. Einzelheiten daraus waren noch keine zu erfahren. Die AVAG gab nach einer ersten Durchsicht des Gutachtens bekannt, es bestätige grundsätzlich die bereits festgestellte Sachlage. Die Schwelbrennanlage stelle eine zukunftsweisende Technik dar. Die AVAG räumt ein, dass noch verschiedene technische Verbesserungen notwendig seien, die aber das Gesamtkonzept nicht in Frage stellen würden. Ob das Gutachten tatsächlich so harmlos ist, wie es die AVAG darstellt, bleibt abzuwarten. Gegner des Projekts haben sich noch nicht zu Wort gemeldet. Auch das bernische Verwaltungsgericht muss sich jetzt mit einer Analyse der Schwelbrenntechnik befassen. Die AVAG hat für Ende März weitere Informationen angekündigt.

Der Oberhasler: http://www.oberhasler.ch


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25.08.1998