Projekt Kehrichtverbrennungsanlage Thun
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Tages Anzeiger: 24. Februar 2000, Seite 21
Gemeinsame Güselsuche

Um an den Kehricht aus den Kantonen Tessin und Waadt heranzukommen, haben sich Zürcher und Thurgauer Verwerter zusammengerauft.

Im Alltag streiten sich die Betreiber der Schweizer Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) um jede Lastwagenladung Abfall. Denn je voller ihr Ofen ist, desto tiefer können sie ihren Verbrennungspreis halten - und bleiben so im Geschäft.

Trotzdem haben sich die Betreiber von sechs Anlagen der Kantone Zürich und Thurgau jetzt zu einem Konsortium zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Gemeinsam wollen sie Kehricht aus den Kantonen an Land ziehen, die wie das Tessin, die Waadt oder Freiburg keine oder nicht genug Verbrennungskapazität haben. Noch wird in den genannten Kantonen der Kehricht deponiert. Weil das seit diesem Jahr aber verboten ist, hoffen verschiedene KVA-Betreiber im Land auf zusätzliches Brenngut in ihren Öfen.

Das Zürich-Thurgau-Konsortium will in den nächsten zwei bis drei Jahren 140 000 bis 150 000 zusätzliche Tonnen Abfall pro Jahr verbrennen. Das Material soll zur Hauptsache aus dem Kanton Tessin stammen, 20 000 bis 25 000 Tonnen kommen aus dem Kanton Waadt. Der Kehricht geht zur Hälfte in die fünf Zürcher Anlagen und zur Hälfte in die heute sehr schlecht ausgelastete Thurgauer KVA in Weinfelden. Weitere Vereinbarungen: Die Lieferkantone müssen die entstehende Schlacke zurücknehmen, und transportiert wird nur per Bahn.

"Wir sind in der Abfallwirtschaft offenbar an dem Punkt, wo man zusammenarbeiten kann, wenn es um das Lösen von Zukunftsproblemen geht", sagt der Winterthurer KVA-Chef Eugen Meile, der gleichzeitig auch Leiter des Konsortiums ist. Der Zusammenschluss sei darum sinnvoll, weil ein einzelner Anlagebetreiber niemals die gleiche Abnahmegarantie leisten könne wie der Verbund. Meile spricht von Vorteilen auch für die Bevölkerung der Abnehmerkantone. "Lokal wird die Luft zwar durch mehr Schadstoffe belastet", so Meile. Wenn dafür die Verbrennungspreise gesenkt werden könnten, bezahle die Bevölkerung aber weniger für ihren eigenen Abfall.

Das Tessin will nicht
Soweit die Pläne. Tatsächlich ist erst der Kanton Waadt eine Liefervereinbarung eingegangen - erste Kehrichtwaggons sollen im Frühling in der Ostschweiz eintreffen. Noch offen ist die Situation im Tessin. Die dortigen Behörden verlangen vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal), den Güsel weiterhin unverbrannt deponieren zu dürfen. Meile hofft, das Buwal bleibe standhaft, schliesslich gälten eidgenössische Gesetze auch im Tessin.

In Winterthur steht die KVA zurzeit ganz oben auf der politischen Traktandenliste: Voraussichtlich am kommenden Montag entscheidet das Stadtparlament, ob die aus einem politischen Kompromiss hervorgegangene Mengenlimite von 110 000 Tonnen pro Jahr aufgehoben wird. Sagt Winterthur Nein, ist das für den Verbund laut Meile kein Problem: Die übrigen Anlagen Hagenholz und Josefstrasse in der Stadt Zürich sowie die Öfen in Horgen und Dietikon könnten den zusätzlichen Kehricht verbrennen.
Von Benjamin Tommer


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06.03.2000