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Trends 2015, Ideen, Fakten und Perspektiven, Gerd Gerken, Michael-A. Konitzer, Scherz Verlag, 1995
Mülltopia - Zukunft der Entsorgung


Bei allen anderen Themen dieses Buches reicht die Perspektive bis weit in die ersten Jahrzehnte des kommenden Jahrtausends. Das Problem von Konsum und Abfall aber wird schon in allzunaher Zukunft brisant. Europa - und besonders Deutschland - droht in Müll zu ersticken, sofern nicht schon bald funktionierende Anti Müll-Konzepte realisiert werden. Wie eine müllfreie Welt ohne Konsum- und Modeverzicht aussehen könnte, zeigt folgendes Zukunftsszenarium.


  • Zukunftsszenarium Einkauf
  • Der drohende Müll-Kollaps
  • Die abfallfreie Gesellschaft


    Zukunftsszenarium Einkauf
    Freitag, 19. März 2002, 14.44 Uhr. Sabine F. Neumann, Hausfrau, startet zu ihrem Wochenendeinkauf. Sie packt ihren Kundenkoffer, checkt, ob noch irgendwelche Kleingläser in den Supermarkt mitzunehmen sind, und macht sich auf den Weg. Am Eingang des Supermarkts empfängt sie der Recycling-Berater. Sabine F. Neumann braucht seine Hilfe nicht, sie kennt sich in ihrem Supermarkt der allerneuesten Generation längst bestens aus. Sie gibt ihre zwei Marmeladengläser, die sie mitgebracht hat, und das Joghurtglas im Multifunktions-Recycling-Automaten ab, das Pfand wird ihr auf ihrer elektronischen Geldbörse, einer Scheckkarte mit Mikrochipspeicher, gutgeschrieben. Am nächsten Terminal warten schon die Shopping-Assistenten auf den Kundenkoffer von Frau Neumann. Der Kundenkoffer ist das Kernstück der neuen Supermarkt-Generation - die ideale Nullverpackung. In dem Aluminiumgestell des Koffers ist Platz für zehn bis zwanzig verschiedene Behälter, die je nach Verwendungszweck aus speziell gehärtetem Leichtglas oder neuentwikkeitem chem-neutralen Kunststoff gefertigt sind. Frau Neumann informiert sich gewöhnlich on line, also per Computernetzwerk, über das aktuelle Angebot, über neue Produkte und Spezialpreise, und wählt dann auch on line die gewünschte Marke und Menge. (Natürlich kann auch direkt am Shopping-Terminal im Supermarkt bestellt werden.) Auf dem Microchip des Koffers sind die Kundennummer, die Adresse von Frau Neumann und der gegenwärtige Bestand ihrer Foodcontainer vermerkt. Anhand dieses Microchips wird die Bestellung von Frau Neumann dem Koffer zugeordnet und automatisch befüllt. Zehn Minuten nach der Abgabe steht der Kundenkoffer am Ausgabe-Terminal komplett bestückt zur Abholung bereit. In dieser Zeit wurden computergesteuert die schmutzigen Gefässe entnommen, gewaschen und sterilisiert, aus grossen Warencontainern computergesteuert neu gefüllt und auf einem CIAM-gesteuerten Induktionsband in den Kundenkoffer gepackt (CIAM = Computer Integrated Automation Manufacturing). Jedes Gefäss ist mit den nötigen Produktinformationen, dem Markensignet, Füllgewicht und Verfallsdatum bedruckt - selbstverständlich mit löslichen, "intelligenten" Farben, die beim nächsten Waschgang der Food-Behälter zur Wiederverwendung abgelöst werden. Frau Neumann hat es noch nie geschafft, vor ihrem Koffer am Ausgabeterminal anzukommen. Sie geniesst es, im Frischmarkt, dem Herzstück des Supermarktes, die Angebote an den verschiedenen Verkaufsständen zu prüfen und die diversen Gratisangebote in Anspruch zu nehmen. Die Obst- und Gemüsepalette im Selbstservice-Bereich ist riesengross, an zwei separaten Verkaufsständen wird Bioware angeboten. Daneben gibt es etliche Wurst und Käsetheken, zwei Fleischer (einer davon Bio) und ein reichhaltiges Büfett mit Gen-Tech-, Tofu- und Bio-Ersatz-Produkten. Die Produkte werden frisch in konsumierbare beziehungsweise biologisch abbaubare, "intelligente" Einweg-Bio-Folien abgepackt. Frau Neumann nimmt, wenn sie Zeit hat, im Frischmarkt auch gerne den Rat von unabhängigen Ernährungsberatern des Marktes in Anspruch, aber auch die Tips von Konsumberatern der grossen Markenartikler, die nicht nur über ihre Produkte informieren, sondern beispielsweise auch über Lifeware-Themen, Ernährungsmedizin, neue Mineralstoffkuren, neue Ernährungskonzepte, neue Genussideen, Rezepte und internationale Esstrends. Ihr Wissen über Selbstheilung per Ernährung, die Diät-Diät (Abnehmen ohne Diäten), über die energiesparendsten Produkte, zeitgemässes High-Tech-Recycling und die Qualität der einzelnen Nahrungsmittel, aber auch über neuentdeckte indianische Menüs bezieht Frau Neumann aus diesen Gesprächen. An den Frischmarkt schliesst sich ein grosses Kosmetik- und Hygiene-Center an, in dem die verschiedensten Marken ihre eigenen Verkaufsstände haben - sie nennen sie "Markentempel" oder "Duft-Erlebnislandschaften". Es versteht sich von selbst, dass alle Produkte ausführlich deklariert und biologisch unbedenklich sind und allesamt in biologisch abbaubaren oder Rückgabe-Behältnissen angeboten werden. Gleiches gilt für alle Putzmittel und alle Non-Liquid-Waren wie Marmeladen, Joghurt, Haselnusscreme, Babynahrung, Einmachfrüchte, Tiernahrung etc. oder Tiefkühlkost, die nicht in den Kundenkoffer abgefüllt werden können. Diese Ware wird in Pfandgläsern oder in Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen verkauft, die nach dem Gebrauch problemlos kompostiert werden können. Der letzte Kaufbereich ist der grosse Non-Food-Markt. Hier werden von der Babywindel bis zum Putzlappen, vom Brief- bis zum Klopapier nur komplett biologisch abbaubare Waren und intelligente Recyclingprodukte angeboten. 15.20 Uhr. Sabine F. Neumann ist mit ihrem Einkauf fertig. Bezahlt wird am Ausgabeterminal - wo schon der Kundenkoffer auf Frau Neumann wartet - per elektronische Geldbörse. Schnell gibt Frau Neumann noch die Getränkebestellungen am Datenterminal ein. Die Getränkekisten holt ihr Ehemann nach der Arbeit mit dem Auto vom Drive-in-Abholschalter des Supermarktes ab. Nach Kennung seiner elektronischen Geldbörse wird das Leergut zurückgenommen, und die von Frau Neumann bestellten Getränke werden "frei Kofferraum" ausgeliefert. Sabine Neumann hätte eigentlich gar nicht persönlich im Markt vorbeischauen müssen, denn natürlich ist der Markt - wie auch andere, selbst kleinere Läden - an ein Bringservice-Unternehmen angeschlossen. Man bekommt den Einkauf jederzeit gegen eine umsatzbezogene Gebühr direkt nach Hause geliefert. Frau Neumann bevorzugt gewöhnlich den "Pronoia-Service", der zwar etwas teurer ist, dafür aber Leute aus sozialen Problemgruppen beschäftigt und alte Menschen und Behinderte gratis beliefert. Und noch einen Sonderservice bietet der Supermarkt an: Für Berufstätige und Nachteinkäufer stehen automatisierte Annahme- und Ausgabeschalter rund um die Uhr bereit ...

    >> Der drohende Müll-Kollaps



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    09.09.1998