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HandelsZeitung: 3. April 2002, Nummer 14
Clearingstelle Schweiz

Abfallskandal - Jahrelang war die Schweiz Mittelpunkt eines europäischen Müllkartells. Aufträge wurden geteilt, Schmiergeld-Millionen deponiert. Nun droht das Korruptionsnetz aufzufliegen.

Die Schweiz war nach Informationen der "HandelsZeitung" viel stärker in die Aktivitäten eines europäischen Müllkartells und somit auch in die Korruptionsskandale um Müllverbrennungsanlagen in Deutschland verwickelt als bisher bekannt (siehe Kasten). So sollen Schweizer Firmen, Berater und Anwälte im Zeitraum zwischen 1991 und 1999 auf Bankkonten der UBS, der Credit Suisse sowie einer kleineren Privatbank in Genf, Luzern, Zürich und Flims zwischen 500 und 800 Mio Fr. an Schmiergeld-Millionen gelagert und durchgeschleust haben. Bisher war nur eine Summe von knapp 100 Mio Fr. im Gespräch.

Zahler waren schweizerische und deutsche Anlagen- und Technologie-Konzerne. Die Schmiergelder flossen dann aus der Schweiz in bar zurück oder wurden über Offshore-Plätze wie der Kanalinsel Isle of Man an Privatpersonen überwiesen. Auch Naturalgeschenke wurden von diesen Konten bezahlt, etwa Haus-Renovierungen oder Fahrzeuge für Beamte, Politiker und Top-Manager.

Die Empfänger der Zahlungen sassen in Deutschland, Österreich und den Benelux-Ländern. Aber auch innerhalb der Schweiz sollen nach Aussagen eines ehemaligen Managers des deutschen Anlagenbauers Babcock-Borsig Gelder eingesetzt worden sein, um Aufträge in der Schweiz zu sichern. "Sie brauchen sich doch nur anzusehen, welche Firmen die meisten der 28 Anlagen in der Schweiz gebaut haben oder wer daran beteiligt war. Es tauchen immer wieder die gleichen Namen auf. Entweder war das eine gezielte Industriepolitik, oder es wurde nachgeholfen", sagt der Manager, der aus Furcht vor Strafverfolgung anonym bleiben will.

ABB-Konzern mit schwarzen Kassen
Die Aussagen des Babcock-Borsig-Mitarbeiters decken sich mit den Schilderungen des deutschen Ingenieurs Hans Reimer. Er ist nach Ansicht der deutschen Staatsanwaltschaft einer der Drahtzieher im europäischen Müllkartell. Der Hamburger hat die Existenz von so genannten Sammel- und Verteilstellen bestätigt. Demnach soll der ABB-Konzern in Zürich und Luzern schwarze Kassen gehabt haben. Der deutsche Preussag-Konzern nutzte dazu seine damalige Schweizer Tochterfirma Noell. "Bei Preussag wurden im Jahr so ungefähr 15 Mio Fr. bewegt", sagt Reimer. Ziel des Kartells war es über mehr als ein Jahrzehnt, Grossaufträge untereinander aufzuteilen und sich durch so genannte "Ausgleichszahlungen" gegenseitig am Auftragsvolumen zu beteiligen.

So hat beim Bau der 615 Mio Fr. teuren Kölner Müllverbrennungsanlage die deutsche Firma Steinmüller zwar den Zuschlag als Generalunternehmer erhalten. ABB und der Babcock-Konzern haben aber trotzdem Auftragspakete in Höhe von etwa 140 bzw. 155 Mio Fr. erhalten, plus weiterer "Ausgleichszahlungen" von Steinmüller in unbekannter Höhe.

Ermöglicht wurde das Kartell durch die wenigen Firmen, die den Weltmarkt der Verbrennungsanlagen dominieren. "In Deutschland sind es nur noch drei bis vier, in der Schweiz ist es nur noch ein Unternehmen", erklärt Reimer. "Da tut sich keiner etwas zu Leide", heisst es in der Branche.

Obwohl die meisten Konten inzwischen aufgelöst wurden, erhoffen sich die deutschen Ermittler Aussagen über die Strukturen und Abläufe in der Vergangenheit. An den Schmiergeld-Zahlungen und den Kartellabsprachen sollen sich nach Ansicht der deutschen Staatsanwaltschaften etwa ABB, Preussag, Babcock-Borsig, Von Roll und Alstom beteiligt haben. Alle Konzerne bestreiten dies freilich. "Wir haben nie Schmiergeld bezahlt", sagt Von-Roll-Sprecherin Lena Tobler. Auch bei ABB wiegelt man ab. Allerdings räumt man ein, dass man im Zuge der Unterstützung beim Schweizer Wahlkampf bis 1998 jedem Kandidaten, der um Wahlkampfhilfe angefragt hatte, einen Betrag zwischen 3000 und 5000 Fr. zugestanden habe.

Scheinrechnungen ohne Leistung
Bis 1998 galt diese Regelung. Danach ging ABB dazu über, nur noch Projekte einzelner Politiker zu fördern, "die im Interesse der Schweiz" und "zum Nutzen von ABB" waren, heisst es in einem internen Konzernpapier. Diese Aussage der Unternehmen werden aber von deutscher Seite in Zweifel gezogen. Denn, so die Ermittlungsergebnisse der Kölner Ermittlungskommission, seien zwar in der Vergangenheit Schmiergelder nie direkt von einem Konzern gezahlt worden. Vielmehr sei das Geld über Transfer- und Clearingstellen so lange "gewaschen" worden, bis eine Rückverfolgung nicht mehr möglich ist. Begünstigt wurden die Korruptionszahlungen zudem durch eine Lücke im Schweizer Gesetz. Bis März 2000 war die Bestechung ausländischer Beamter straffrei.

Die Vorgehensweise soll dabei immer die gleiche gewesen sein: Schweizer Beratungsfirmen haben Scheinrechnungen ohne Gegenleistung ausgestellt. Das Geld floss dann in die Schweiz und wurde teilweise weitergereicht. Beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlagen sollen so die Zürcher Ecoling AG etwa 3,2 Mio Fr. und die Flimser Stenna Umwelttechnik AG etwa 18 Mio Fr. erhalten haben - knapp 10 Mio Fr. vom Generalunternehmer der Kölner Anlage, Steinmüller GmbH, und weitere 7,6 Mio Fr. von der deutschen Firma Trienekens, deren Firmenchef im Mittelpunkt des Skandals im nördlichen Nachbarland steht.

Trienekens hat gegenüber der "HandelsZeitung" inzwischen Zahlungen an die Stenna Umwelttechnik AG eingestanden. "Aber das hing nur mit der Gründung der Tochtergesellschaft Trienekens Schweiz zusammen", sagt ein Unternehmenssprecher. Das Aktienkapital der Luzerner Firma beträgt allerdings nur 1 Mio Fr. Wo die anderen 6,6 Mio Fr. geblieben sind, wollte Trienekens nicht sagen.

Was die Ermittler in Köln weiter stutzig macht, ist das personelle Geflecht zwischen den verdächtigten Akteuren: So sitzt der Inhaber der Stenna Umwelttechnik AG, der Bündner Arthur A. Hofmann, gleichzeitig im Verwaltungsrat der Trienekens Schweiz AG. Pikantes Detail am Rande: Arthur A. Hofmann ist der Bruder des SVP-Ständerates Hans Hofmann, der in den 90e Jahren Baudirektor im Kanton Zürich war. Zu dieser Direktion gehört auch das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft. Heute präsidiert er im Ständerat die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie.

Des Weiteren sitzt im Verwaltungsrat von Trienekens Schweiz der umtriebige Zürcher Anwalt Werner Stauffacher. Selbst am Firmensitz in Deutschland weiss man nicht, welchen Bezug der Wirtschaftsanwalt, den derzeit noch ein Berufungsverfahren wegen angeblicher Urkundenfälschung beschäftigt, zum mittelständischen Unternehmen hat. Die Kölner Ermittler haben nun Voruntersuchungen gegen Stauffacher aufgenommen. Ihr Verdacht: Über ihn und seine Firmen sollen Schmiergelder geflossen sein. Handfeste Beweise gibt es allerdings nicht. Stauffacher selbst wollte sich zu den Anschuldigungen nicht äussern.



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08.04.2002