SBA-THUN
HOME WHAT'S NEW ARCHIVES GUESTBOOK

HandelsZeitung: 3. April 2002, Nummer 14
Energie: Bern setzt auf Contracting

KÄLTEVERBUND · Die Stadt Bern und die SBB zeigen, wie ein innovatives Contracting-Projekt gleichzeitig Geld spart und die Energie- und Klimaziele erreichen hilft.

Margrit de Lainsecq
Gegenüber den Stadtwerken in Basel, Winterthur oder Zürich sind wir, was die Contracting-Angebote betrifft, noch im Rückstand", stellt Werner Künzler von der Gas-, Wasser- und Fernwärmeversorgung der Stadt Bern (GWB) selbstkritisch fest. Im Zusammenhang mit der derzeit stattfindenden Zusammenführung des Elektrizitätswerks der Stadt Bern und der GWB zu den Städtischen Werken Bern wollen die Verantwortlichen jetzt aber vorwärts machen und auf dem Weg vom Energielieferanten zum umfassenderen Dienstleistungsunternehmen einen Schritt weiterkommen. Da bietet sich das Contracting geradezu an. Beim Aufbau einer entsprechenden Produktepalette wollen die Berner eng mit den übrigen unter dem Dach der Swisspower vereinigten Stadtwerken zusammenarbeiten. Laut Künzler ist beispielsweise die Einführung der in Basel erfundenen "PowerBox" geplant, die es Gewerbe- und Industriebetrieben ermöglicht, Wärme, Kälte, Licht oder Dampf künftig direkt beim Stadtwerk einzukaufen, das die entsprechenden Anlagen im Auftrag seiner Kunden finanziert, baut und betreibt.

"Revolutionäres Projekt"
Das Angebot von Standardprodukten ist in Bern also erst im Aufbau. Bereits heute aber können die Berner ein Pilotprojekt vorweisen, das - so drückt sich Peter Antipovic vom beauftragten Planerbüro Kiwi aus - "für die Schweiz revolutionär und hoffentlich beispielgebend" ist. Die Idee besticht in der Tat: Aus Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) wird im Sommer, wenn sich diese Energie nicht zum Heizen nutzen lässt, zentral Kälte erzeugt und über ein Verteilnetz den Kunden zugeführt. Als Contractor treten die GWB auf, Contracting-Nehmer sind SBB, Stadt und Kanton Bern mit diversen Bauten im Bahnhofareal. Die Kälte kommt die Bezüger markant günstiger zu stehen, als wenn herkömmliche, strombetriebene Kühlaggregate zum Einsatz kämen. Da die innovative Lösung jährlich rund 900 000 Kilowattstunden Strom substituiert, leisten die Beteiligten mit diesem Contracting-Projekt gleichzeitig einen bedeutenden Beitrag an die im schweizerischen Energiegesetz definierten Energie- und Klimaziele.

"Wir haben uns schon länger überlegt, wie wir die sommerliche KVA-Abwärme sinnvoll nutzen könnten", erläutert Martin Bretscher vom Berner Stadtbauamt. Und die Nutzung zur Kühlung sei eigentlich auf der Hand gelegen, denn die Technik, mittels Absorptionsmaschinen aus Abwärme Kälte zu erzeugen, sei ja bekannt und bewähre sich. "Da wir aber keine kommunalen Bauten mit einem grossen Kältebedarf haben, hätte es für die Stadt keinen Sinn gemacht, im Alleingang einen Kälteverbund zu realisieren", erklärt Bretscher. Als aber die SBB 1996 ihre Umbaupläne für den Bahnhof Bern bekannt gaben und die Stadt ihrerseits die Erneuerung von zwei Unterführungen mit Ladenpassagen plante, wurde man aktiv. Vertreter der Stadt, der GWB und der SBB setzten sich zusammen und diskutierten die Möglichkeit einer gemeinsamen Kälteversorgung.

Später kam der Kanton hinzu, da auch beim bahnhofnahen Universitätsgebäude der Exakten Wissenschaften eine Erneuerung der Kälteanlagen anstand. Damit war die nötige Grösse erreicht. "Bei einer benötigten Kälteleistung ab 2 Megawatt ist ein Kälteverbund interessant", glaubt Bretscher. Die weiteren Voraussetzungen: Es muss auf geografisch kleinem Raum ein genügend grosser Kältebedarf vorhanden sein, und die Betreiber des Fernwärmenetzes müssen mit attraktiven Sommertarifen Hand bieten für eine innovative Lösung. In Bern kostet die Abwärme zwischen Anfang Mai und Ende Oktober 18.60 Fr. pro Megawattstunde.

Contracting bringt den Stein ins Rollen
Die für die Fernwärmeversorgung zuständige GWB beschränkte sich allerdings nicht darauf, attraktive Energiepreise anzubieten, sondern übernahm von Anfang an die Rolle des Koordinators und signalisierte später - als das Projekt Konturen annahm - die Bereitschaft, als Contractor für die Kälteversorgung aufzutreten. Auch die Planerfirma stand von Anfang an fest: Die Kiwi Systemingenieure und Berater AG mit Sitz in Dübendorf ZH, Generalplaner Gebäudetechnik beim Bahnhof-Umbau. "Wir hatten hier die einmalige Chance", betont Kiwi-Ingenieur Peter Antipovic, "ein wirklich integrales Konzept zu erstellen." Angefangen bei der KVA, wo die Abwärme anfällt, bis zu den Kältebezügern habe man alle Voraussetzungen und Bedürfnisse einbeziehen und eine massgeschneiderte Lösung ausarbeiten können.

Die gewählte Lösung sieht so aus: Ein Kälteverbund versorgt alle angeschlossenen Gebäude mit 6° kaltem Wasser, das gebäudeintern sowohl für die Raumkühlung als auch für die Erzeugung von Prozesskälte (beispielsweise Kühlvitrinen in den im Bahnhof eingemieteten Läden) genutzt wird. Erzeugt wird die Kälte im Sommerhalbjahr mittels Absorptionsmaschinen aus günstiger KVA-Abwärme. Die Rückkühlung erfolgt durch vier Kühltürme auf dem Dach des Bahnhofgebäudes. Im Winter, wenn der Kältebedarf geringer ist, reichen die Kühltürme annähernd aus; Bedarfsspitzen werden durch eine bestehende, strombetriebene Kältemaschine gedeckt, welche die Planer zu diesem Zweck in die neue Kältezentrale im Untergeschoss des Bahnhofgebäudes integriert haben. Die Gesamtinvestition beläuft sich für die GWB als Contractor auf rund 5 Mio Fr., davon entfallen 1,6 Mio Fr. auf den Rohrleitungsbau.

20 Prozent Energiekosten gespart "Vor dem Entscheid haben wir selbstverständlich Varianten gerechnet", sagt Peter Krähenbühl von den SBB, die das Bahnhof-Hauptgebäude und ein Rechenzentrum an den Kälteverbund angeschlossen haben. "Dabei stellten wir fest", so Krähenbühl, "dass sowohl wir als auch die Mieter unserer Laden- und Büroflächen mit dem Kälteverbund finanziell besser fahren, als wenn wir selber eine konventionelle, strombetriebene Kälteanlage realisiert hätten." Auf die Energie- und Betriebskosten umgerechnet, bringe die Contracting-Lösung im Vergleich zu einer eigenen Kälteversor-gung etwa 20% Einsparungen. Dazu kämen die ökologi- schen Vorteile, die Einsparung von 900 000 Kilowattstunden Strom pro Jahr und die sinnvolle Nutzung der sommerlichen KVA-Abwärme.

Diese Umweltvorteile machen die innovative Contracting-Lösung zu einem Pilot- und Demonstrationsprojekt von "EnergieSchweiz", das vom Bund mit einem Beitrag von 248 000 Fr. gefördert wird. Anfang Mai 2002 soll die Kältezentrale in Betrieb gehen und die erste Etappe der Erneuerung des Bahnhofs Bern abgeschlossen sein - rechtzeitig auf den Expo-Start, welcher den SBB zusätzliche Passagiere bescheren wird.



Unberechenbare Abfallwirtschaft
Sanieren ohne Ende
Müll-Tourismus auf Umwegen
Hausaufgaben sind erledigt
Clearingstelle Schweiz
Deutschland - Stürzt die Regierung?
Energie: Bern setzt auf Contracting
International: Feuertaufe für Vorzeigemüllofen


TALK TO US
08.04.2002