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HandelsZeitung: 3. April 2002, Nummer 14
International: Feuertaufe für Vorzeigemüllofen

Badenwerk - Die Thermoselect-Anlage wurde für 20 Millionen DM aufgerüstet.

Martin Baumgärtner, Karlsruhe
Vor einigen Jahren galt die neu entwickelte Thermoselect- Technik als zukunftsweisendes System in der Müllverbrennung. Nach zahlreichen Kinderkrankheiten hat sich jedoch Skepsis breit gemacht. Nun steht die erste Grossanlage ihrer Art im Karlsruher Rheinhafen vor ihrer entscheidenden Bewährungsprobe.

Mitte April ist, nach zwei Testläufen mit Erdgas, ein weiterer sechsmonatiger Probebetrieb gestartet worden. Eigentlich hätte die Thermoselect-Anlage - bei der Bevölkerung heisst sie längst Thermodefekt - den Abfall aus Stadt und Region bereits seit Januar 1999 in Strom und unbedenkliches Granulat für den Strassenbau verwandeln sollen. Doch nachdem die Müllreaktoren im Notbetrieb Grenzwerte überschritten hatten, verweigerte das Regierungspräsidium vor neun Monaten die Dauergenehmigung.

Strategische Überlegungen veranlassten die Energieversorgung Baden-Württemberg (EnBW) Anfang der 90er Jahre zu einem Engagement im lukrativ erscheinenden "Müllmarkt". Statt jedoch wie Siemens mit hohen Kosten und Risiken ein eigenes Abfallbehandlungsverfahren zu entwickeln, beteiligte sich das frühere Badenwerk an der schweizerischen Thermoselect AG, die 1995 im italienischen Verbania eine viel bestaunte Pilotanlage betrieb, und sicherte sich über eine Tochtergesellschaft die Vertriebsrechte für diese neue Generation von Müllfabriken.

Im Vergleich zu konventionellen Müllöfen verhiess Thermoselect den Kommunen eine Halbierung ihrer Entsorgungskosten. So entschieden sich 1995 nordbadische Kommunalpolitiker für eine Thermoselectfabrik mit einer Jahreskapazität von 225000 Tonnen. Technische Pannen warfen das Projekt jedoch immer wieder zurück. Ende Juli 2000 zückte die Genehmigungsbehörde nach langem Zögern dann schliesslich die gelbe Karte. In der Folge musste die über 250 Mio DM teure Anlage nochmals nachgerüstet werden: Für 20 Mio DM wurden ein neues Brennkammersystem sowie ein modernisiertes Sicherungssystem installiert. Erreicht die Anlage unter Volllast die strengen Emissionswerte nun wieder nicht, droht dem EnBW- Vorzeigeprojekt das endgültige Aus. Der viel versprechende Versuch, im milliardenschweren Weltmarkt der Abfalltechnik mitzuspielen, wäre dann ebenso gescheitert wie eine ähnliche Pilotanlage von Siemens AG in Fürth.

Wegen des sinkenden Müllaufkommens und der technischen Probleme ist Thermoselect bei der EnBW vom Hoffnungsträger längst zum Sorgenkind mutiert. Vergangenes Jahr erst entschied der Kanton Tessin, keine solche Anlage zu bauen und kündigte alle entsprechenden Verträge. Der in Giubiasco geplante Bau der Hochtemperatur-Recyclinganlage war vom Nachweis eines erfolgreichen Regelbetriebs der Karlsruher Pilotanlage abhängig gemacht worden.



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08.04.2002